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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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hatte heute wieder seinen Hauptspaß, er gab dem Lehrer und vielen Anderen schwere Rechenexempel auf, Räthselrechnungen, die Niemand herausbrachte; und wenn Alles ringsum ihn lobte und ihm huldigte, rühmte er den alten Kopfrechner in Letzweiler, von dem er das gelernt, und die Bewunderung und die Schmeichelreden Aller gingen Diethelm mit dem Weine leicht ein. Als man spät in der Nacht, nicht eben sicher auf den Beinen, aufstand, machte ein Witzwort des alten Schäferle noch auf der Straße viel Gelächter, denn er hatte gesagt: »Diethelm, dir schadet ein Brand (Rausch) nichts, du bist ja in der Brandversicherung.«
    Diethelm lachte laut und wurde auf Einmal nüchtern, und auf dem ganzen Heimweg verließ ihn das Wort nicht.
    Es war nun so hellgemuth daheim, daß Diethelm nur mit Schmerz daran dachte, auf Geschäftsreisen in der Ferne sich tummeln zu müssen. In der That kamen jetzt auch, von Reppenberger und Anderen angewiesen, mehrere Händler, besahen die Vorräthe Diethelms, konnten aber nicht handelseins mit ihm werden; und die Mahnung, wie sehr die Wolle durch langes Lagern an Aussehen und Gewicht verliere, wies Diethelm leicht von sich, es war ihm zur Gewißheit geworden, daß der gute Schick, auf den er harrte und hoffte, nicht ausbleibe; er glaubte an ihn wie an eine Verheißung und fast noch mehr als an eine solche. Es fiel ihm dabei gar nicht ein, rückwärts dem Urgrund dieser Zuversicht nachzuspüren und mit einem allgemeinen Trost beschwichtigte er das Grübeln, wenn er sich ausdenken wollte, in welcher Weise denn sein zukünftiges Glück eintreten solle. Diethelm war jetzt auffallend weichmüthig und gutherzig gegen Jedermann und faßte auch immer bessere Vorsätze für kommende Tage; und solch ein Mann, sagte er sich dann oft, solch ein Mann darf nicht untergehen, wenn noch Gerechtigkeit bei Gott und im Himmel ist. Ohne es auffällig zu machen, ging Diethelm öfters in die Kirche, und im Wirthshaus zum Waldhorn unterhielt er sich viel mit dem Pfarrer, und dieser sagte oft zu den Wirthsleuten und zu Anderen: er habe den Diethelm gar nicht so gekannt, unter seinem starkthuerischen Gebaren ruhe ein demuthsvolles und gläubiges Gemüth, und dabei sei er ein guter politischer Kopf. Diethelm war kein Liberaler, er war zu sehr monarchischer Natur und dünkte sich zu erhaben über Alle unter sich, als daß er eine Gleichberechtigung anerkannt hätte; nur in Sachen der Wahlen wich er davon ab: die Ehre von so Vielen erwählt zu werden dünkte ihn fast noch größer als von der hohen Regierung ernannt zu werden. Manche schalten jetzt sogar auf Martha, die mit ihrem zänkischen und schwermüthigen Wesen den braven Mann oft aus dem Hause treibe; es muß aber zur Ehre Diethelms gesagt werden, daß er immer entschiedene Einsprache that, wenn er Derartiges merkte. Er hielt es für eine Versündigung, durch Ungerechtigkeit gegen Andere erhoben zu werden; aber so sehr war er bereits in innern Wirrwarr gerathen, daß er diese einfache Ehrlichkeit für ein besonderes Opfer hielt, wofür ihm der Gotteslohn nicht ausbleiben dürfe. Diethelm hielt sich überhaupt viel im Waldhorn auf und kartelte. Hier war gewissermaßen sein zweites Heimwesen und ein noch viel willfährigeres als das eigentliche. Diethelm hatte eine Hypothek auf dem Wirthshause, und der ohnedieß geschmeidige und schmeichlerische Wirth war sein Neffe, dem er zum Ankauf dieses Hauses verholfen hatte; natürlich also, daß Diethelm hier unbedingte Botmäßigkeit fand, wie sonst nirgends; und er ließ sich diese gern gefallen. Im Waldhorn wartete er nun jedesmal den Postboten ab: die Quittung für eine drängende Schuld, die er mit der erworbenen baaren Summe getilgt hatte, blieb nicht aus, aber auch andere Briefe kamen, in die er nur kurze Blicke warf und die er auf dem Heimwege in kleinen Stückchen verzettelte, welche der Herbstwind lustig davon trug. Ganz buchstäblich schlug er alle Sorgen in den Wind, und wenn die Frau, die wohl tiefer sah, mit ihm Alles besprechen wollte, hatte er hunderterlei Ausreden und versicherte Martha, sie solle nur auf ihre Sache sehen, er werde die seinige schon auseinander haspeln. Martha war wie alle Frauen vornehmlich auf's Erhalten bedacht und diese durch die kleinlichen Handthierungen des Lebens bedingte Tugend erschien Diethelm in seinen weit ausgreifenden erobernden Planen als engherzig. Martha war schon zufrieden, daß er ihrem Drängen nachgab, sich nicht zum Abgeordneten wählen zu lassen, was er eigentlich nie

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