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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Narr, der nur eine Stunde einem Menschen glaube. Woher es kam, das wußte Diethelm nicht, aber offenbar schien es ihm, daß man Schlimmes von ihm dachte und seine Ehre angegriffen sei, daß etwas wie eine Verschwörung aller Menschen gegen ihn in der Luft schwebe. Das von Zweifel und Bangen gepeinigte Herz verlangt besonders huldreiche Zuneigung der Welt, und gerade da bleibt sie aus, und das düster blickende Auge des Bedrängten sah Unfreundlichkeit der Menschen, wo sonst gar nichts gesehen wurde.
    Diethelm beauftragte Kübler, eine geweihte Kerze, ein vierundzwanzig Stunden haltiges sogenanntes Taglicht zu kaufen für den verstorbenen Vater des Waisenkindes, in dessen Angelegenheiten er eben in der Stadt war. Kaum war Kübler weggegangen, als ein Briefchen vom Kastenverwalter kam, der Diethelm daran erinnerte, daß er das Geld, das in sechs Wochen fällig war, bereits anderweit versagt hätte. »Der hat auch was,« knirschte Diethelm, den Brief in die Tasche steckend, und hätte er in diesem Augenblicke ein Verbrechen an der ganzen Welt begehen können – es wäre ihm eine Lust gewesen. Er hielt noch die Hand auf dem Briefe des Kastenverwalters, als Kübler kam, aber er brachte statt Einer Kerze ein Gebund, das vier solcher enthielt.
    »Ich hab' nur Eine gewollt, aber es ist so auch recht,« sagte Diethelm und hielt in zitternder Hand die Kerzen. Es war ihm, als müßte er damit sengen und brennen.
     
Elftes Kapitel.
     
    Der Schnee wirbelte um ihn her und Diethelm fuhr durch die Nacht dahin heimwärts, seine Wangen glühten und die Schneeflocken, die darauf fielen, konnten die Gluth nicht löschen. Am ersten Berg hielt er an, öffnete den Kutschensitz, aber nicht um seinen Inhalt, verborgen vor jedem Späherauge, zu zerstreuen; er legte drei der geweihten Kerzen noch zu dem Kienholz. Er fühlte einen Stich durch's Herz, und doch bewegte ihn ein freudiger erfindungsreicher Gedanke: diese Kerzen brennen eine volle Tag- und Nachtlänge, mit ihnen läßt sich verdachtlos etwas bewirken.
    Im Schritt den Berg hinanfahrend überdachte Diethelm sein ganzes vergangenes Leben. Er spürte ein Jucken in den Augen, als er der unsäglich vielen Freuden gedachte, die er seinen Eltern und allen seinen Angehörigen bereitet hatte; und plötzlich stand es vor ihm, daß sein Bruderskind in Elend verkomme, wenn er nicht dem Kübler zur Ansässigmachung verhelfe. Alles, was er thue, sei ja zum Guten. Und jetzt war es, als sähe er seine Fränz, wie sie unter den Menschen herumgestoßen würde, die kein Erbarmen haben und sich selber sah er sterbenskrank und in Noth und verlassen. Es muß sein ...
    Heute kehrte Diethelm freiwillig auf der kalten Herberge ein. Es war ihm hier nicht mehr wie in einem verzauberten Hause zu Muthe: Alles hatte einen freundlichen Anschein, und das behäbige und wohlgemuthe Wesen des Wirthes sprach es deutlich aus, daß man nach einer solchen That wieder frischauf leben kann. Diethelm suchte sich immer mehr einzureden, daß der böse Leumund die Wahrheit, verkünde und dieser Wirth ein Brandstifter sei. So saß Diethelm in sich gekehrt und mit glänzenden Augen umschauend, als ein alter Bekannter, der Reppenberger, eintrat und seinen Glücksstern pries, daß er ihm einen Weg erspare, den er eben zu Diethelm machen wollte. Er berichtete, wie er endlich einen willigen Käufer gefunden, der den gesammten Wollvorrath zu einem Preise übernehme, bei dem für Diethelm noch ein mäßiger Gewinn sich ergab. Reppenberger hatte ein so lebendiges Mundstück und wußte es durch Weinzufuhr immer neu zu beleben, daß er gar nicht merkte, wie zerstreut und stotternd Diethelm stets antwortete, wenn er nicht lautlos darein starrte, als hätte er gar nichts gehört. Denn Diethelm war es in der That, als treibe der Teufel sein Spiel mit ihm. Kaum giebt er ihm die Kerzen in die Hand und erregt in ihm die erfindungsreichen Gedanken: da kommt die Versuchung und will Alles zum leeren Possenspiel und zu nichte machen. Ist darum alles Bedenken und alles innere Zagen überwunden, damit Alles ein eitles Spiel um Nichts sei? Das Herz, das Einmal den festen Willen zur bösen That gefaßt, sieht leicht diese schon als in sich vollbracht an, und wie mit dämonischer Gewalt wird es immer wieder dazu gedrängt, und alle Ablenkungen erscheinen nicht als das was sie sind, sondern als Hindernisse, die übersprungen und besiegt werden müssen. Denn das ist das unergründliche Dunkel, daß das innere Sinnen, sei es gut oder böse, alle

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