Schwarzwaelder Dorfgeschichten
ihn nachziehenden Bärbele, das ihm alsdann beim Aushalten tüchtig die Leviten las: »Ich weiß gar nicht,« sagte es, »du kommst mir ganz närrisch vor mit dem Jäger. Du bist dran schuld, wenn ihn das Tonele gern kriegt. Es thät schon lange mit keinem Gedanken mehr nach ihm umgucken; wenn du es aber so fort und fort mit ihm quälst, da muß es ja immer wieder an ihn denken, und da denkt es darüber nach, ob es wirklich wahr ist, daß der Jäger es gern hat, und da kann es ihn eben auch gern kriegen, denn guck, er kann doch noch besser tanzen als du, so links 'rum kannst du doch nicht hopsen.«
Der Sepper lachte, aber innerlich mußte er dem schalkhaft gescheiten Weibchen recht gehen, und als er dann mit seinem Schatze am Tische saß, brachte er es dem Jäger zu (ihm Bescheid zu thun), er winkte daher dem Tonele und sagte: »stoß mit ihm an.« Der Jäger trank, eine höfliche Verbeugung machend, auf die Gesundheit Toneles, dem Sepper nickte er kaum zu. Dieser aber nahm sich vor, heute nicht mehr böse zu sein, er freute sich vielmehr über sein kluges Benehmen gegen den Jäger und hielt dann das Tonele selig im Arme. Da wurde er zu dem Hauptspaße einer Hochzeit abgerufen.
Die gesamte ledige Mannschaft hatte nämlich nach alter Sitte die Hochzeiterin gestohlen. Sie hielten das Bärbele in einen großen Kreis geschlossen, und Kasper, der Hochzeiter, mußte es nun unter vielen possierlichen Hin- und Herreden von den Unholden loskaufen. Sechs Flaschen Wein befreiten die Gefangene, und die Beiden, die sich wiedergefunden, marschirten nach Hause. Die Musikanten stiegen von der Anhöhe an die offenen Fenster und spielten ihnen den üblichen Marsch auf, und manches Hoch! schallte noch hinterdrein.
Das Tonele stand träumerisch am Fenster, als das Bärbele schon längst fort war und Alles wieder tanzte.
Es war schon spät in der Nacht, oder eigentlich früh am Morgen, als der Sepper das Tonele nach Hause begleitete. Sie waren noch lange allein, und das Tonele schmiegte sich mit wilder Gluth an seine Wangen und faßte ihn mit gewaltigen Armen fest. Auch der Sepper war hoch erregt, aber er konnte es doch nicht unterdrücken, noch einmal von dem Jäger zu sprechen. Das Tonele sagte: »Laß jetzt den Jäger, guck, es gibt jetzt gar nichts auf der Welt als du.« – Der Sepper hob das Tonele hoch in die Lüfte, dann umfaßte er es wieder, und den Mund auf seine Wangen pressend, sagte er: »guck, ich möcht' dir grad 'neinbeißen.«
»Beiß,« sagte Tonele.
Wehe! der Sepper hatte wirklich gebissen; das Blut rann Tonele von der Wange und floß hinab bis an den Hals. Erschreckt fuhr es mit der Hand nach seiner Wange, es fühlte die offenen Spuren der Zähne, da stieß es den Sepper von sich, daß er rücklings hinstürzte, dann schrie und heulte es laut auf, daß Alles im Hause erwachte. Der Sepper richtete sich auf, um es zu trösten, aber jämmerlich wehklagend stieß es ihn abermals von sich. Da man Geräusch im Hause vernahm, schlich sich der Sepper fort, denn er dachte: die Sache ist nicht so arg; auch wollte er sich und Tonele jede Verlegenheit ersparen, und er hoffte, es würde schnell eine Ausrede vorbringen, wenn die Leute herbeikämen.
Der Vater und die Mutter kamen mit Licht und schlugen die Hände zusammen, als sie ihr bluttriefendes Kind sahen. Schnell wurde die alte Ursel, die viel Hausmittelchen kannte, herbeigeholt. Die alte Frau sagte ganz offen: »das kann den Krebs geben, oder der das gethan hat, muß die Wunde mit seiner Zunge reinigen.« – Das Tonele schwur hoch und heilig, lieber zu sterben, als daß der Sepper es nur noch einmal berühren dürfte.
Es wurden nun allerlei Heilmittel angewendet, und das Tonele stöhnte wie eine Sterbende.
Andern Tages war die Geschichte im ganzen Dorfe bekannt, und man sagte, der Sepper habe dem Tonele ein ganzes Stück Fleisch aus dem Backen herausgebissen. Alles kam, um das Tonele zu trösten, aber auch um seine Neugierde zu befriedigen. Auch der Sepper kam, aber das Tonele schrie wie eine Besessene, er solle augenblicklich aus dem Hause und nie mehr kommen. Kein Bitten, kein Klagen, nichts half; das Tonele that wie wahnsinnig, und der Sepper mußte fort. Er ging zum Bärbele und bat es, doch für ihn ein gutes Wort einzulegen. Das Bärbele war gerade damit beschäftigt, die Hochzeitsgeschenke zu ordnen; Küchengeschirr und allerlei Hausrath lag zerstreut um sie her. Es schimpfte nun zwar den Sepper tüchtig aus, ließ aber doch augenblicklich Alles stehen und
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