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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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hielt und wozu er die Honoratioren der Gegend einlud. Der Jäger erhielt die Erlaubnis, das Tonele mit ins Theater zu bringen.
    Das Tonele zitterte, daß ihm die Zähne klapperten, als es mit dem Jäger den Berg hinanging, auf dem das Schloß in alterthümlicher Weise mit Zugbrücke, Wall und Graben steht. Still, ganz in sich zusammengeschauert, auf den Zehen gehend, trat es in den Saal, wo die Herrschaften schon waren; es erhielt einen Platz nicht weit hinter der Musik. Die Obervogtin richtete ihre Lorgnette lange nach ihm, und das Tonele saß da, schlug die Augen nieder und wagte kaum zu athmen; die Narbe an der Wange brannte, es war, als ob der Blick der Obervogtin die Wunde wieder aufgerissen hätte. Da rauschte nach der Musik der Vorhang auf, Tonele hörte mit angehaltenem Athem zu. Es weinte bittere Thränen über das Schicksal des armen, herzensguten Lorenz Kindlein (dieses Stück wurde gespielt), es hätte gewiß nicht so lange gewartet, wenn es die Tochter gewesen wäre, und erst als der Vorhang wieder fiel, entlud sich ein gewaltiger Seufzer seiner Brust.
    Auf dem Rückwege faßte der Jäger das Tonele um den Hals, und es schmiegte sich traulich an ihn, es war ganz aufgelöst von der mächtigen Aufregung; es war ihm, als ob der Jäger ihm Alles das geschenkt hätte, als ob er das Alles selber gemacht hätte, und doch wäre es wieder gar zu gerne noch einmal zu dem guten alten Manne und seiner lieben Tochter gegangen, die jetzt so glückselig bei einander waren.
    Aber auch der Jäger war glückselig, denn er erhielt das Versprechen, daß das Tonele am Sonntag nach der Mittagskirche im Buchwäldle mit ihm zusammenkommen wolle.
    Und so war der Jäger bei seinem Manöver viel glücklicher als der Sepper zu Rosse bei dem Manöver auf der Ebene von Ludwigsburg, und noch ehe er den Abschied vom Militär erhielt, hatte ihm das Tonele den Abschied gegeben.
    Bei seiner Heimkunft war der erste Ausgang des Seppers zu dem Tonele. Er traf es an der Kunkel in der Stube bei seinen Eltern, aber es redete kein Wort mit ihm und blickte ihn nur manchmal stier an. Er zeigte seinen ehrenvollen Abschied und breitete ihn, nachdem er alle Stäubchen weggeblasen, auf dem Tische aus; aber das Tonele kam nicht einmal her, um hineinzublicken. Er wickelte den Abschied wieder in doppeltes Papier und ging, das Dokument behutsam in der Hand haltend, fort zu dem Bärbele. Hier hörte er nun Alles, und daß die beiden Gespielen sich wegen des Jägers verfeindet hätten. Der Sepper zerknitterte den Abschied mit beiden Händen zu einem Ballen zusammen und ging dann fort.
    Es war in der Dämmerung, da saß der Sepper unter demselben Baume im Kirschenbusch, wo wir das Tonele zuerst gesehen haben. Der Baum war entblättert, der Wind pfiff über die Stoppelfelder und der Fichtenwald rauschte und brauste wie ein Strom; vom Daberwasen her tönte das Nachtglöcklein, und ein verspäteter Rabe flog krächzend dem Walde zu. Der Sepper aber sah und hörte nichts. Er saß da, die Ellbogen auf die Kniee gestemmt, und hielt sich mit den Händen die Augen zu. So saß er lange. Da hörte er das Bellen eines Hundes und herannahende Schritte, er sprang rasch auf. Der Jäger kam aus dem Dorfe. Sepper sah das Glitzern des Gewehres, er sah auch eine weiße Schürze und vermuthete mit Recht, daß das Tonele den Jäger begleitet hatte. Sie blieben eine Weile stehen, dann kehrte das Tonele um.
    Als ihm der Jäger nahe war, sagte der Sepper in trotzigem Tone: »Guten Abend!«
    »Schön Dank,« erwiderte der Jäger.
    »Ich hab' mit Euch ein Hühnle zu rupfen,« sagte der Erste wieder.
    »Ah, der Sepper,« sagte der Jäger, »seit wann seid Ihr wieder da?«
    »Für dich zu früh, Du – wir wollen nicht lange machen, da, wir wollen Hälmle ziehen, wer von uns beiden vom Tonele lassen muß; und wenn ich's verlier', so muß ich das Gewehr für mich haben.«
    »Ich zieh' kein Hälmle.«
    »Dann zieh' ich dir dein' Seel' aus deinem Leib, du grüner Spitzbub',« schrie der Sepper, das Gewehr des Jägers mit der einen Hand, mit der andern seine Gurgel packend.
    »Waldmann faß!« schrie der Jäger noch mit halber Stimme, der Sepper gab dem Hunde einen tüchtigen Tritt, dadurch wurde indes der Jäger etwas freier. Mit aller Macht rissen sich nun die beiden um das Gewehr und hielten sich an der Gurgel, da – plötzlich ging das Gewehr los, und der Jäger stürzte rücklings in den Graben. Er stöhnte nur noch einmal, und der Sepper beugte sich über ihn, um zu hören, ob er

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