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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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noch athme.
    Das Tonele kam herbeigesprungen, der Schuß in finsterer Nacht hatte es herbeigelockt, es ahnte nichts Gutes.
    »Da! da!« rief der Sepper, »da liegt dein Jäger, jetzt heirath' ihn.«
    Das Tonele stand erstarrt und konnte sich nicht regen, endlich sagte es: »Sepper, Sepper, du hast dich und mich unglücklich gemacht.«
    »Was geh' ich dich an? Ich will von der ganzen Welt nichts mehr,« rief der Sepper und floh nach dem Fichtenwalde zu. – Man hat nie mehr etwas von ihm gehört.
     
    Auf dem Wege nach Mühringen im Kirschenbusch steht an dem Feldraine ein steinernes Kreuz zum ewigem Andenken, daß hier der Jäger von Mühringen erschlagen wurde.
    Das Tonele ist aber erst nach vielen Jahren einsamen Kummers vom Leben erlöst worden.
     
Fußnoten
     
    1 Vor kurzem.
     
    2 Heirathen.
     
    3 Wahrlich.
     
    4 Joseph.
     
    5 Schüchternes Mädchen.
     
    6 Dumm.
     
    7 Fünf Morgen Ackers in jeder Gemarkung gilt als der Besitzstand eines wohlhabenden Bauern.
     
    8 Name einer Gemarkung.
     
     

 
V.
Befehlerles.
     
1.
    Am ersten Maimorgen prangte an des Wagner Michel's Haus ein stattlicher Maibaum; es war eine schöne schlanke Tanne, welcher man die Aeste abgehauen und nur die Krone gelassen hatte. Weit über alle Häuser hin ragte sie, und stände der Kirchthurm nicht auf dem Berge, die Tanne hätte darüber hinausgeschaut. Sonst war kein Maibaum im ganzen Dorfe, und alle Mädchen heneideten das Aivle 1 , des Wagner Michel's älteste Tochter, weil es allein einen Maien hatte.
    Die Kinder kamen das Dorf herauf, in ihrer Mitte bewegte sich eine grüne Hütte. Eine zuckerhutförmige, aus Reifen gebundene und mit Laub bedeckte Hütte war über einen Knaben gestülpt, der sich nun von Hausthür zu Hausthür bewegte und eine Weile dort Halt machte; neben ihm gingen zwei andere Knaben, einen mit Spreu und Eiern gefüllten Korb an den Henkeln tragend, ein großer Schwarm von Knaben, grüne Zweige in den Händen haltend, zog hinterdrein. Sie sangen vor jedem Hause:
     
    Ho! ho! ho!
    Der Maiemann ischt do,
    Geant auns schnell d'Eier 'raus,
    Sust kommt der Marder in's Heanerhaus,
    Geant auns Eier, wie mer's wella,
    Sust streue mer Spreuer auf dia Schwelle,
    Ho! ho! ho! u.s.w.
     
    Wo sie nun keine Eier erhielten, vollführten sie ihre Drohung und streuten mit Jubel und Lachen eine Handvoll Spreu auf die Schwelle. Fast überall aber wurde ihnen willfahrt, und sie gingen von Haus zu Haus; nur an des Schloßbauern Haus gingen sie, ohne anzuhalten, vorbei. Die Aufmerksamkeit des Dorfes war aber diesmal nicht auf den Maienmann gerichtet, denn Alles stand vor des Wagner Michel's Haus und betrachtete den Maibaum. Zur Herbeischaffung eines solchen mußten wenigstens sechs Mann und zwei Pferde geholfen haben. Es war fast wunderbar, wie das so »hehlings« geschehen konnte; denn das Maisetzen war streng verboten und wurde als großer Waldfrevel mit drei Monaten Ludwigsburg, d.i. Arbeitshaus, bestraft. Darum hatte es keiner der Burschen gewagt, nach alter Sitte seinem Schatz diesen gewaltigen Strauß vor's Haus zu stecken; nur des Wendels Matthes, der »zu dem Aivle geht«, hatte dieß trotz des Verbots ausgeführt. Man konnte nicht herausbringen, wer ihm dabei geholfen hatte; man sagte, daß ihm Burschen aus dem eine Viertelstunde entfernten Dettensee, das zum »sigmaringer Ländle« gehört, beigestanden hätten.
    Viele Bauern, die mit Egge und Pflug ins Feld gehen wollten, andere mit der Hacke auf der Schulter, machten Halt und betrachteten eine Zeitlang den Maibaum. Auch des Wendels Matthes war unter den Versammelten, und er lachte immer in sich hinein und winkte dem Aivle, das vergnügt zum Fenster heraussah, mit den Augen zu; diese Augen sagten gar viel. Auf die oft schelmisch wiederholte Frage, wer wohl den Maibaum gesetzt, antwortete das Aivle stets nur mit einem schelmischen Achselzucken.
    Eben waren die Maikinder am Hause des Wagners Michel angelangt und begannen ihren Spruch, als der Dorfschütz mit dem Bannert 2 herzutrat und laut rief: »Seid still, ihr Krotten!« Die Kinder schwiegen plötzlich; darauf ging der Gestrenge gerade auf den Matthes zu, faßte ihn am Arme und sagte: »Komm mit zum Schultes!«
    Der Matthes schleuderte die breite Hand der Polizei von sich weg und fragte: »Warum?«
    »Das wirst du schon erfahren; jetzt komm mit, oder es geht dir schlecht.«
    Der Mathes schaute sich rechts und links um, als wisse er nicht, was er thun solle, oder als müsse ihm von irgend einer Seite her Hülfe und

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