Schwarzwaelder Dorfgeschichten
liegen und ging zum Tonele. Dieses schrie laut auf am Halse seiner Gespielin: »Ich bin verschänd't für mein Lebtag.« Auf vieles Zureden stand es endlich doch auf aus dem Bette, und als es zum erstenmal vor den Spiegel trat und die gräßliche Verwüstung sah, rief es: »Jesus Maria Joseph! Ich bin ja grad wie die Flambomarann'. Lieber Gott, ich hab' mich g'wiß an ihr versündigt; ich bin gestraft genug.«
Unter keiner Bedingung wollte das Tonele mehr den Sepper sehen, und dieser ging endlich zwei Tage darauf, ein kleines weißleinenes Ränzchen auf dem Rücken, nach Stuttgart.
Erst nach vierzehn Tagen ging Tonele aus dem Hause, aber immer mit verbundenem Gesichte. Merkwürdig! fast der erste, der ihm begegnete, als es mit der Hacke auf der Schulter zum Kartoffelgraben in's Feld ging, war der Jäger.
»Wie geht's, schönes Tonele?« fragte er gutmüthig die Verbundene.
Das Tonele wollte vor Scham in den Boden sinken, es war ihm so eigen, daß er es bei seinem Namen nannte und noch dazu »schönes« sagte; es fühlte jetzt doppelt, wie gräßlich entstellt es war. Als es daher schweigend seufzte, sagte der Jäger: »Ich hab' schon gehört, was Euch geschehen ist, darf man's nicht sehen?« – Das Tonele schob schüchtern das Tuch weg, und der Jäger schlug unwillkürlich die Hände zusammen; dann aber sagte er: »Das ist unverzeihlich, unmenschlich, so mit einem herrlichen Mädchen umzugehen, wie Ihr seid. Das ist einmal wieder eine rechte Bauernroheit, verzeihet mir's, ich mein' Euch gewiß nicht mit, aber die Menschen sind oft halb Vieh. Lasset's Euch aber nicht zu sehr grämen.«
Das Tonele hörte aus Allem diesen nur die Theilnahme des Jägers heraus und sagte: »Nicht wahr, ich bin recht verschänd't?«
»Bei mir thät' das nichts,« sagte der Jäger, »und wenn Ihr nur einen Backen hättet, Ihr thätet mir doch besser gefallen, als alle Mädle von Nordstetten bis Paris.«
»Das ist nicht recht, einen so zu foppen,« sagte das Tonele wehmüthig lächelnd.
»Nein, ich fopp' nicht,« sagte der Jäger, die Hand des Mädchens fassend, und fuhr fort: »gucket, ich thät' Euch gleich heirathen, so wahr mir Gott das Leben gibt.«
»Das ist sündhaft gesprochen,« sagte Tonele.
»Ich seh' keine Sünd' dran, wenn wir uns heirathen thäten,« sagte der Jäger.
»Wenn wir gut Freund bleiben wollen, so redet davon kein Wörtle mehr,« sagte Tonele und ging quer über's Feld.
Der Jäger war schon zufrieden, daß er »gut Freund« mit dem Tonele sein durfte, und er machte sich das wohl zu nutze; denn er kam jetzt fast jede Woche ein paarmal nach Nordstetten. Er unterhandelte zuerst mit dem Pudelkopf, Toneles Vater, wegen der Holzfuhren, die es jetzt im Herbste gab; dadurch bekam er immer mehr Gelegenheit, mit dem Tonele zu sprechen. Er sagte nichts mehr vom Heirathen, aber man hätte ein Narr sein müssen, wenn man's nicht gemerkt hätte, daß er darauf herum redete.
Einen schweren Stand hatte der Jäger bei dem Bärbele, ohne das beim Tonele nichts auszurichten war. Zuerst versuchte er es mit Güte und Spaß, aber das Bärbele verstand gar keinen Spaß mehr; es redete immer und immer vom Sepper, so oft der Jäger da war.
Da begab sich für den Jäger ein Ereigniß, wie er sich's nicht besser wünschen konnte. Das Tonele hatte eine reiche Base in Mühringen, deren Hochzeit in wenigen Tagen sein sollte, und das Tonele kam für den drei Tage lang dauernden Tanz nach Mühringen. Die Schwester des Jägers schloß schnell Freundschaft mit Tonele, und die beiden Mädchen spazirten mit einander über Wies' und Feld und hielten sich beim Tanze zusammen. Das Tonele erschien hier zum erstenmal mit unverbundenem Gesichte, und man kann fast sagen, es war schöner seit dem Bisse.
Manche wilde und abergläubische Völker verstümmeln etwas vollkommen Schönes, damit der böse Blick keine Macht über dasselbe habe und der Teufel, der nichts Vollkommenes duldet, darüber beruhigt sei. Der Biß in der Wange Toneles war nur so viel, daß der Neidteufel, der nie etwas ganz und durchaus loben mag, sein Aber dabei anbringen konnte.
Der Jäger hielt sich heim Tanze immer zum Tonele, und am Abend machte er ihm noch eine Freude, wie sie noch kein Bauernmädchen von ganz Nordstetten gehabt hatte.
Der alte Baron, ein wohllebig dicker Mann, so geizig er auch war und so streng er auch einem Bauer, der ein Bündel dürres Holz im Walde holte, nachjagte, war doch sehr splendid für ein kleines Theater, das er sich auf dem Schlosse
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