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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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auf.«
    »Ja, ja,« sagte Fränz wie träumend und erhob sich von der eisbedeckten Staffel, auf die sie sich gesetzt hatte. »So, jetzt kommen die Pferde, aber wie langsam die machen. Gott im Himmel! Ich sterb', wenn das nicht schneller geht. Munde, was hab' ich sagen wollen? Ich weiß nicht mehr. Ja, sei mir nicht bös. Wenn nur meine Eltern noch leben, dann ist Alles gut. Ich hätt's nie glaubt, daß ich so aus der Stadt weggeh', und da Munde, da hast du auch noch Geld; das, was du gesagt hast, ist nicht gesagt und wird nie mehr gesagt. So, Gottlob, nun ade,« schloß Fränz, als der Schaffner »Eingesetzt« rief.
    Der Postillon blies lustig, der Wagen fuhr ab und Munde schlug sich davongehend auf die Stirne; es kränkte ihn, daß er so unbesonnen herausgeredet und den Schmerz des Mädchens noch grausam vermehrt hatte, und jetzt merkte er erst, wie er so unbewußt Geld angenommen. Er kehrte in den Rautenkranz zurück, um noch Einiges zu besorgen, das Fränz in der Eile vergessen hatte.
     
Fünfzehntes Kapitel.
     
    Unter klingendem Schlittenschellen fuhr Diethelm nach dem Dorfe hinab, er athmete tief auf in der scharfen Morgenkälte und starrte fast bewußtlos vor sich hin, beobachtend wie die Rappen so rasch und gleichmäßig die Füße hoben, und wie sie so muthig die schellenumwundenen Köpfe warfen.
    Während im Herzen ein jäher Schreck ausklingt oder wilder Schmerz rast, ist oft der äußere Sinn verloren und gefangen in der Betrachtung eines Farbenspiels, eines alltäglichen Ereignisses, und verfolgt seine Wandlungen mit einer Stetigkeit und gesammelten Kraft, als wäre sonst Nichts auf der Welt und als müßte gerade dieser Vorgang in seinem innersten Wesen erforscht werden. Erwacht dann das innere Bewußtsein aus solcher träumerischer Versenkung, so fährt der Gedanke an das erlittene Unheil wie mit tausend schneidenden Waffen auf's Neue durch alle Lebensnerven, durchzuckt das ganze Wesen und ein lauter Aufschrei spricht es aus, was über das selbstvergessene Menschenherz gekommen.
    Diethelm fuhr so heftig auf, daß er mit dem Leitseile die Rappen herumriß, so daß sie sich nur mühsam auf den Beinen hielten, während der Schlitten in den Graben abrutschte. Diethelm sprang heraus und es gelang ihm bald, das Fuhrwerk wieder flott zu machen; er stieg aber nicht mehr ein, sondern ging heftig trappend neben den Pferden her bis zur Schmiede im Dorfe, wo er die Pferde frisch griffen ließ, während er nach dem Waldhorn ging. Der Waldhornwirth war noch nicht zuweg, und als er kam, war er überaus übellaunisch über die heutige Ausfahrt.
    »Wir sollten heut' lieber daheim bleiben,« sagte er, »alle Wege sind verschneit, der Wind treibt allen Schnee auf den Straßen zusammen und es ist heute so sträflich kalt, daß der Hungerbrunnen zugefroren ist; das erinnern sich die ältesten Leute nicht.«
    Diethelm sah den Vetter starr an, preßte die Lippen und sagte endlich:
    »Wir müssen fort, da ist Nichts mehr zu reden.«
    Der Waldhornwirth holte sich eine große Schale Kaffee aus der Ofenröhre, und während er auf das Erkalten wartete, dem Diethelm mit schnaubender Ungeduld zusah, sagte er:
    »Wenn heute das Unglück wollte, daß ein Feuer auskäme, man hätt' keinen Tropfen Wasser zum Löschen, das ganze Dorf wär' verloren.«
    Diethelm kam es vor, daß der Vetter ihn bei diesen Worten so seltsam anstierte und er verfiel plötzlich in ein grinsendes Lächeln; er überlegte rasch, ob er auf das Gehörte antworten sollte, aber Schweigen konnte Mißtrauen erregen; darum sagte er aufstehend:
    »Glaubst du auch an die Prophezeiung?«
    »Nein, aber möglich könnt' es doch sein.«
    Das Zaudern und Trödeln des Waldhornwirths machte Diethelm alle Eingeweide kochen, er hielt es in der Stube nicht mehr aus, sagte, er wolle nach der Schmiede gehen und bis er zurück käme, müsse der Vetter reisefertig sein. Diethelm war entschlossen, wenn das Zögern noch länger dauerte, lieber allein abzureisen, ohnehin war ja der Zweck erreicht, daß das ganze Dorf um seine Abreise wußte. Als er aber vor die Thür kam, wo ihm ein Wind so stark entgegen wehte, daß es ihm den Athem benahm und er sich umwenden mußte, spürte er plötzlich einen heftigen Schmerz im Oberarm von dem Bisse Medards, den er fast ganz vergessen hatte. Mit Mühe arbeitete er sich sturmentgegen nach der Schmiede, und als er dort ankam, rief er dem Schmied zu:
    »Nimm dich in Acht vor dem zuderhändigen Rappen, der beißt. Weißt kein Mittel gegen einen

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