Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Diethelm, »nein, ich bin nicht närrisch, aber komm', einspannen, schnell, heim, in mein Haus, mein Haus ...« Er richtete sich auf, sank aber wieder zurück auf den Stuhl und schlägelte mit den Händen, als hätte ihn der Schlag gerührt. Der Vetter schüttete ihm schnell Wein hinab und Diethelm erholte sich bald wieder, dann bat er mit weinender Stimme, daß sie schnell wieder heimkehren sollten, er müsse zu seiner Frau. Der Vetter war gerührt, daß Diethelm der Tod seiner Stieftochter so nahe ging, er versprach Alles zu besorgen, und eilte hinaus. Diethelm faltete die Hände vor dem Mund und sprach etwas wie ein Gebet, und so zutraulich auch heute wieder der Sternenwirth war, er gab ihm keine Antwort und eilte hinaus in den Stall und weinte dort so laut, daß man meinte, es müsse ihm das Herz abstoßen. Er hatte den Arm auf den Hals des Handpferdes gelegt und weinte so heftig auf die Mähne und sprach unverständliche und doch flehend klingende Worte, als wollte er die Pferde bitten, ihn mit schnellster Macht heim zu bringen.
Er hatte Verbrechen auf Verbrechen gehäuft um seine Ehre zu retten, und nun war Alles unnöthig, die Erbschaft von seiner Stieftochter stellte ihn ja hin, glänzender als je. Er zitterte am ganzen Leibe und nur Ein Gedanke hielt ihn noch fest, daß daheim die grause That noch gut zu machen sei und er faßte die besten Vorsätze, die sollten das Schicksal zwingen, daß die böse That ungeschehen sei. Gewaltsam ballte er die Fäuste und preßte die Lippen, um sich nicht zu verrathen, wenn es doch zu spät wäre, aber nein, das darf nicht sein, das kann nicht sein. –
Jede Minute, die mit Festschnallen eines Riemens, mit Anlegen eines Stranges verging, däuchte Diethelm eine Ewigkeit; er wollte Vorspann, er wollte frische Pferde nehmen um mit Windesschnelle heim zu eilen, aber er fürchtete wieder, daß ihn jedes Wort verrathe, und wagte nicht einmal mehr die Einspannenden zur Eile zu drängen. Als der Vetter vorsorglich eine Laterne mitnahm und sogar nach einem zweiten Licht als Ersatz schickte, erschrack Diethelm, aber er hatte gelernt zu schweigen. Er mußte vor dem Vetter Alles verbergen, er hatte ihn ja mitgenommen, um ihn zum Zeugen seiner Unschuld zu gebrauchen.
Man fuhr wieder heimwärts und Diethelm mußte davon sprechen, daß er seine Frau in dem Schmerz um den Tod ihres Kindes nicht allein lassen wolle.
»Warum hast mir denn nicht früher gesagt,« fragte er, »daß es so mit der Kohlenhofbäuerin steht?«
»Ich hab' gemeint, Ihr wisset's und wollet nicht davon reden; ich hab' Euch ja oft darauf angespielt, daß Ihr wieder doppelt reich werdet.«
»Ja wohl, ja wohl, fahr' nur schärfer, noch schärfer, und wenn die Gäul' morgen auch hin sind,« drängte Diethelm.
In dem Bannkreis des Verbrechens, in den er eingeschlossen war, hatte er nichts gemerkt von dem, was vielleicht alle Leute wußten und einander sagten; mit ihm sprach Niemand davon, und mitten in der Qual, die ihm die Brust zusammen preßte, dachte er immer wieder, wie schlecht die Menschen sind, sie gönnten ihm sein unverhofftes Glück nicht und redeten darum kein bestimmtes Wort davon.
Der Wind hatte sich gelegt, die Schneewolken entluden sich und Diethelm sah nach den halb verschneiten Bäumen am Wege und streckte den Arm aus nach Jedem, an dem man vorüber war, als schiebe er ihn damit zurück; war man ja der Heimath immer wieder um eine Strecke näher, aber es dauerte doch lang und ein tiefer Frost schlich Diethelm durch Mark und Bein. Er glaubte, das Herz im Leibe gefriere ihm zu Eis, während der Vetter doch sagte, die Kälte sei gebrochen. Diethelm dachte sich die Pein Medards aus, der gefesselt am Boden liegt, die Flamme immer näher knistern, die Schafe in der Ferne blöken hört, und wie die Flamme immer näher heranschleicht, von allen Seiten nach ihm züngelt und ihn still umfängt ... wenn sie zuerst seine Bande versengt – er hebt die gefesselten Hände den Flammen entgegen, er macht sich frei ...
»Du lebst,« schrie er einmal unwillkürlich laut auf, und der Vetter wunderte sich wieder über die so innige Liebe Diethelms zu seiner Stieftochter; nicht umsonst hieß er der Familienfürst.
»Wir kriegen wieder kalt, der Mond geht heute roth auf,« sagte der Vetter, als man auf der kalten Herberge angekommen war, »seht, dort, Buchenberg zu.«
Diethelm spie das Blut aus, das er sich aus den Lippen gebissen.
»Was ist denn das?« fuhr der Vetter nach einer Weile fort, »ich höre die alt'
Weitere Kostenlose Bücher