Schwarzwaelder Dorfgeschichten
durchfuhr. Nun war die Bahn offen, es galt, keine Zeit mehr zu versäumen. Mit erheitertem Antlitz kam Diethelm in's Waldhorn zurück, aber er mußte doch noch dem Vetter nachgeben, daß man daheim Mittag machte. Diethelm trank zwei Flaschen von seinem Leibwein und war überaus wohlgemuth, als man über alle Hindernisse hinweg endlich davonfuhr. Der alte Schäferle mit seiner dampfenden Pfeife stand am Wege, nickte Diethelm und seinem Trompeter zu und winkte mit der Hand, zeigend, daß er nach Diethelms Haus zu seinem Medard gehen wolle. Diethelm wollte dies abwehren, aber die Pferde waren so rasch im Zuge, daß man unversehens weit vom Schäferle weg war, und als Diethelm den Vetter zwang anzuhalten und sich umwendete, war der Schäferle verschwunden. Diethelm ließ ihm nun durch ein Kind am Wege sagen, daß er den Medard über Feld geschickt habe; er hatte nicht mehr Zeit, dies bereuend und eingedenk seiner widersprechenden Aussage beim Bahnschlitten, zu widerrufen, denn der Vetter fuhr heute im tollen Trab. Dieser Widerspruch ist auch gewiß ganz bedeutungslos, sagte sich Diethelm und nahm sich vor, fortan recht genau auf Alles zu achten, was er sage. Noch einmal wendete sich Diethelm nach seinem Hause um, es tanzte ihm vor den Augen, als käme das Haus den Berg herab. Er nahm dem Vetter die Peitsche ab und hieb selber auf die Pferde ein, daß sie in gestrecktem Galopp davonrannten.
Man begegnete vor Unterthailfingen dem Bahnschlitten, und der darauf stehende Trupp, der sich im Nachbardorfe erlustigt hatte, brachte Diethelm in wildem Schreien ein Hoch aus. Dem Trompeter schien heute sein Mundstück eingefroren, er redete kein Wort; die Kälte war aber auch zu schneidend, wie scharfe Messer fuhr sie in's Gesicht und schlupfte unter dicken Schafpelzen durch, auf alles Eisenwerk am Schlitten und Geschirr setzte sich immer ein haarigkrauser Schneereif. Die Sonne war heute gar nicht erschienen. Schneewolken jagten sich am Himmel, aber es war zu kalt, als daß sie niederfielen. An der kalten Herberge öffnete endlich der Vetter seinen Mund und sprach von Einkehr, auch die Pferde schienen mit dem Vetter einverstanden und wendeten sich ab des Weges; aber Diethelm peitschte sie ingrimmig durch und jagte vorbei, es war ihm unmöglich, jetzt in dieses Haus einzutreten, ja schon dessen Anblick sträubte ihm die Haare empor. Der Vetter ward nun noch verschlossener und letzte sich nur bisweilen an dem mitgenommenen Kirschengeist. Es war schon lange Nacht geworden, als man steif und starr in G. im Stern ankam. Mit gekrümmten Fingern griff sich Diethelm in die Tasche, um nach seinen Papieren zu sehen. Plötzlich schrie er laut auf und schlug sich auf die Stirn, er hatte die Staatspapiere vergessen, die er in der Hauptstadt zu Geld machen wollte. Der Vetter, seines Amtes eingedenk, tröstete ihn in seiner unfaßlichen Verzweiflung.
»Die Staatspapiere verschimmeln Euch ja nicht und Ihr habt ja noch Geld genug.«
Diethelm konnte es sonst nie leiden, daß der Trompeter solche Reden an ihn allein verschwendete, ohne daß sie sonst Jemand hörte; heute aber nickte er ihm schnell gefaßt zu, denn er überlegte rasch, daß das Aufgeben dieser Wertpapiere, deren Besitz er nachweisen konnte, bei etwaiger Untersuchung entschieden zu seinen Gunsten sprechen müsse. Er rieb sich gewaltig die Hände und setzte sich behaglich an den Tisch.
»Ihr habt's gut,« sagte der Vetter, dessen Register einmal aufgezogen war, »Euch fliegt der Reichthum nur zu, wo man gar nicht d'ran denkt.«
Diethelm bestätigte den Gewinnst, den er durch Verkauf der Wolle mache und erholte sich immer mehr an dem Zutrauen, das seine Vorkehrungen einflößten.
»Das mein' ich ja gar nicht, Ihr machet ja die große Erbschaft,« entgegnete der Vetter.
»Red' nicht so. Von wem soll ich erben? Von den Unsrigen in Letzweiler?«
»Stellet Euch nur nicht so. Ihr wisset's wohl und ich weiß nicht, warum Ihr so thut als ob Ihr's nicht wüßtet, Eure Stieftochter auf dem Kohlenhof, die kommt nicht mehr auf, sie sagen ja, sie sei schon todt; Kinder hat sie nicht und da fällt wieder Alles an die Mutter zurück.«
Gläsernen Blickes, mit offenem Munde und ausgespreizten Händen hörte Diethelm diese Worte.
»Dann ist ja Alles umsonst!« schrie er laut auf und faßte den Vetter an der Brust und schüttelte ihn, als wollte er ihn erdrosseln. Der Vetter wehrte ab und sagte:
»Was habt Ihr denn? Ihr thut ja wie von Sinnen.«
»Ich bin's, komm, komm' da fort,« stöhnte
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