Schwarzwaelder Dorfgeschichten
merkte er, daß der Paßauf, Medards Schäferhund, ihm gefolgt war; der Landjäger scheuchte den Hund zurück, der Diethelm in die Stube des Gefangenwärters folgen wollte.
Zwei Stunden nach ihm fuhr der Amtmann mit Martha im verschlossenen Wagen nach der Amtsstadt.
Siebzehntes Kapitel.
Die Sage vom Löwen und der Maus schien sich wieder zu erneuen; das erste fremde Menschenbild, das Diethelm sah, war der Zeugmacher Kübler und jetzt erinnerte er sich, daß dieser ja der Sohn des Amtsdieners sei. Mit welch hochmüthiger Gönnerschaft hatte Diethelm immer diesen armen Teufel betrachtet, und jetzt überdachte er schnell, daß er ihm Alles verdanken könnte, und wenn alle Mittel zu Schanden werden – die Flucht. Daran aber war noch lange nicht zu denken. Diethelm hob den Mantel von den Schultern in die Höhe, und wartete ruhig bis der dienstbeflissene junge Kübler ihm denselben ehrerbietig abnahm; er streckte nun dem Amtsdiener die Hand entgegen und sagte mit heller Stimme in herablassender Höflichkeit:
»Guten Morgen, lieber Amtsdiener. Wollt Ihr einen abgebrannten armen Verwandten nicht ein paar Tage bei Euch wohnen lassen? Habt Ihr kein Zimmer frei? Ich nehme mit einem kleinen vorlieb.«
Diethelm glaubte zu bemerken, daß diese Anrede den verkehrten Eindruck machte; Alles, was mit dem Criminalgericht zusammenhängt, schien keinen Spaß zu verstehen.
Wie ein gefangener Ritter empfahl nun Diethelm seine Rosse der sorgsamen Wartung. Waffen hatte er nicht abzuliefern, aber gewiß konnte Diethelm besser schreiben und lesen und war mindestens so verschlagen und ehrgeizig als je ein Mann, der im Harnisch rasselte; daß man aber in anderen Zeiten war, zeigte besonders der Ofen, der war so winzig und windig und ein Ritter, wenn er von einem Raubzuge in eine Herberge kam, fand einen Baumstamm im breiten Ofen prasseln. Wäre nicht eine abgestumpfte Sandsteinkugel auf dem Ofen gelegen, Diethelm hätte sich nicht einmal die Hände wärmen können, und doch fühlte er von innen heraus eine unbezwingliche Kälte, als ob nicht Blut, sondern Eiswasser ihm durch die Adern rinne. Er bat nun mit einer gewissen Demuth, in der Stube bleiben zu dürfen, bis seine Zelle geheizt war. Der alte Gefangenwärter ging weg und ließ Diethelm mit dem Landjäger und seinem Sohn allein. Diesem empfahl nun Diethelm nochmals seine Pferde und trug ihm auf, nach dem Waldhornwirth in Buchenberg zu schicken, damit er Roß und Schlitten abhole und gut im Stand halte.
»Soll ich den Hund hier behalten?« fragte der junge Kübler den abgewendet Sprechenden.
Diethelm schüttelte den Kopf verneinend, dann wendete er sich um und sagte in heiterm Tone:
»Dein' Braut ist vor ein paar Tagen noch bei mir gewesen, ihr könnt euch drauf verlassen, daß ich euch auf den Tag hin wie's versprochen ist Hochzeit mache, und Gevatter bin ich auch; dann wollen wir lustig sein, daß die Stern' am Himmel zittern; der Vergeltstag bleibt nicht lang aus.«
Der Landjäger verbot eben Diethelm jedes weitere Reden, als der Gefangenwärter eintrat, mit der Kunde, daß Alles bereit sei. Diethelm erzitterte jetzt vor Wut, als man ihm Alles aus den Taschen nahm, als man ihm das Halstuch abnahm und sogar die Hosenträger abnestelte; dieses letzte geschah aus dem doppelten Grunde, damit der Gefangene nichts habe, um sich daran zu erhängen und bei einem etwaigen Fluchtversuch durch die Nöthigung, die Hosen in der Hand aufzuhalten, gehindert sei. Eine Minute lächelte Diethelm über diese Vorkehrungen, bald aber ward er des grausamen Ernstes bewußt, und mühsam schleppte er sich die Treppe hinan nach seiner Zelle; der junge Kübler trug ihm noch mitleidig seinen Mantel nach. Erst als ihn der Landjäger verließ, sagte er:
»Ihr kennt mich wohl nicht. Ich bin von Grubenau bei Letzweiler gebürtig. Meinen Vater hat man den Schreinerhannesle geheißen, er ist ein guter Freund von Eurem Vater gewesen. Ich hab' viel von Euch und Euren Gutthaten gehört, wie ich noch klein gewesen bin. Nun b'hüt Gott. Ich wünsch' alles Gute.«
Diese Mittheilung des Landjägers machte einen eigenen Eindruck auf Diethelm; daß der Mensch sich gedrungen fühlte, sich ihm zu erkennen zu geben, und daß er von seinem Ruhme sprach, wie traf das jetzt das Herz des Gefangenen.
Diethelm war nun allein. Er hatte sich vor Niemand mehr zu verstellen. Auf dem Stuhl vor dem Ofen saß er, und es war ihm, als müßte sein Körper in Stücke zerfallen. In dem Ofen brummte das Feuer, manchmal knallte ein
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