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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Fichtenast und zischte langsam ein grünes Scheit. Diethelm fühlte, wie ihm alles Blut im Herzen zusammen gerann, aber Wärme verspürte er nicht, kalt, unendlich kalt war es ihm; er hüllte sich in seinen Mantel und wickelte sich in die wollene Decke, die auf der Pritsche lag, immer war es ihm, als ob er in der so wohl verschlossenen Zelle mitten in einem Luftzuge stehe und plötzlich fuhr er wie emporgeschnellt auf, die Wände dröhnten und schmetterten, zitternder Drommetenklang umrauschte ihn von allen Seiten. Erst nach geraumer Weile besann er sich, daß die Stadtzinkenisten den Abendchoral bliesen, die Trompeten und Posaunen schienen gerade nach seiner Zelle gerichtet, so unmittelbar, so gradaus strömten die Töne in dieselbe, und vor Allem stand jener Tag wieder vor Diethelm, an dem er sich zum unmäßigen Einkauf verleiten ließ.
    Was war seitdem aus ihm geworden! Ein Mordbrenner! Diethelm hielt sich die zitternde Hand vor den schnell athmenden Mund, daß er das Wort nicht laut ausrufe. Er warf sich auf die Kniee und ein heftiger Thränenstrom entlud sich aus seinen Augen, er fühlte seine Wangen glühen und plötzlich wurde es ihm warm. Mit dem Antlitz auf dem Boden liegend, sprach es in ihm, daß er Alles bekennen müsse, und er streckte sich weit aus, bereit, den Todesstreich zu empfangen, zu sterben ... Er weinte auf's Neue um sein verlorenes Leben; über ihm tönte der wehklagende Grabgesang, ein schriller Drommetenton verwandelte sich in die Klagestimme seiner Martha und ein anderer in die seiner Fränz ... Und die sind verloren auf ewig, und du wirst nicht gleich getödtet, du mußt Wochen- und Monate lang, ja vielleicht deine ganze Lebenszeit auf deinen schandvollen Tod warten. Mußt du das ertragen in Gefangenschaft und Elend, warum kannst du es nicht auch in Freiheit und Ehre? ... Diethelm richtete sich auf, und als jetzt von einer andern Thurmseite der Choral erscholl, sang er die Töne laut mit und seine Stimme tönte so voll, fast wie Posaunenschall. Er sang so laut am Fenster, daß er nicht hörte, wie das Schloß hinter ihm knarrte, die Thüre sich öffnete und der Gefangenwärter eintrat, ihn zum Verhör abzuholen.
    Um dieselbe Zeit war Martha in der Stadt angekommen; sie ging mit fest zusammengepreßtem Munde und thränenlosem Auge umher, das Schicksal ihres Mannes, der Tod ihrer Tochter, der sie nun nicht einmal eine eisige Scholle auf die Bahre werfen konnte, der gräßliche Tod des treuen Knechtes, das Verbrennen des Hauses, in dem sie so viele Jahre Freud und Leid verlebt, Alles das bestürmte ihr Herz und machte sie dumpf und verwirrt. Ihrer Bitte, auch eingesperrt zu werden, hatte man nicht willfahrt, und sie lief wie ein verirrtes verstoßenes Bettelkind in den Straßen umher, als müßte sie Jemand finden, der ihr den Weg aus dem Wirrwarr heimwärts zeigte. Es dämmerte, in den Häusern wurden da und dort Lichter entzündet. Ach! Da wohnen überall Menschen, die daheim sind und wissen Wen sie haben. Martha fuhr vor Schreck zusammen, denn es sprang etwas an ihr herauf, sie erkannte bald den vor Freude bellenden Paßauf.
    »Ach, du bist's,« sagte sie, den Hund streichelnd, »gelt armes Thierle, es geht dir auch wie mir, du weißt auch nimmer wo du hin gehörst. Bleib nur bei mir, komm' mit, wir gehen zum Meister.«
    Eben als Martha an der Post vorüberging, kam der Eilwagen unter hellen Posthorntönen angefahren. Was hat nur der Hund, daß er eine aussteigende verhüllte Gestalt anspringt und dann mit Freudenbellen zwischen der Gestalt und Martha hin und wider rennt? Wäre dort vielleicht der todt geglaubte Medard, der von seiner Flucht zurückkehrt? Martha fühlte, wie ihr die Haare sich emporsträubten und wie ihr die Kniee fast brechen wollten. Mit wankenden Schritten ging sie auf den Posthof zu, sie hörte den Schaffner sagen: »Ich will Ihnen gleich ein Fuhrwerk nach Buchenberg verschaffen.« Sie näherte sich der verhüllten Gestalt.
    »Mutter!« rief es ihr entgegen.
    »Du bist's, Fränz?«
    Und mit wehklagendem und doch freudigem Schmerzensausruf lagen Mutter und Tochter sich in den Armen. Jetzt erst konnte Martha weinen. Fränz erholte sich rasch wieder, und wenn auch schmerzvollen Klanges, sagte sie doch mit fester Stimme:
    »Mutter! Gottlob, Gottlob und Dank, daß ich Euch hab'. Mutter, ich möcht Euch Abbitte thun für Alles; ich hab' erfahren, was fremde Menschen sind, und da schwör' ich's unter freiem Himmel, nie, nie, so lang Euch ein Aug offen steht, verlass' ich

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