Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
Euch. Jetzt lasset mich nur Eure Hand küssen. Ich kann Alles wieder gut machen an Euch und am Vater. Ach Gott, wie geht's ihm denn?«
    Martha schwieg.
    »Ist er verbrannt?« schrie Fränz so grell, daß selbst ein losgespanntes Pferd, das an ihr vorbeiwollte, rückwärts wich.
    Martha schüttelte den Kopf, und erst mit schwerem Athem konnte sie die Worte hervorbringen:
    »Er sitzt im Criminal.«
    Die Postmeisterin, die Fränz noch vom Markte her kannte, zog dieselbe in das Haus, und hier erfuhr sie nun Alles. Fränz küßte aber- und abermals die Hände der Mutter, dann legte sie ihre heiße Wange an die eingefallene kalte Wange der Mutter und sagte:
    »Ach Gott, wenn ich nur mein warmes junges Blut da in Euch hinübergießen könnt'. Kommet nur jetzt gleich, wir müssen sehen, daß wir den Vater sprechen können.«
    Martha erklärte, daß sie nicht mehr gehen könne, ihr seien die Beine wie abgehackt, vom Todtenbette des Kindes weg in solch ein Elend hinein, das sei zuviel. Fränz befahl schnell einen warmen Wein für die Mutter, sie lief in raschen Schritten im Zimmer hin und her, das dauerte ihr viel zu lang, bis das Befohlene kam; sie wollte selber hinab und das Angeordnete bereiten, sie verstünden das hier nicht; aber die Mutter bat, sie nicht zu verlassen, sie könne nicht mehr allein sein. Plötzlich kniete Fränz vor der Mutter nieder und sah nach, ob sie warme Füße habe; sie sprang rasch auf, als sie fühlte, wie dieselben eisstarr waren, sie klingelte nach Branntwein, »aber rasch, rasch!« befahl sie, und es war ihr eine innige Buße, als sie nun der Mutter die Füße wusch und rieb. Die Mutter ließ Alles mit sich geschehen wie ein Kind; sie schlürfte dann den warmen Wein, den ihr Fränz an den Mund hielt, und mit schmerzlichem Lächeln sagte sie nach jedem Schluck: »Ah, das thut gut. Versuch's nur auch, Fränz.« Fränz nippte, und die Mutter sagte wie halb träumend:
    »Du bist so schön geworden, Fränz, und siehst mich so getreu an, so ... so ... so hab' ich dich lieb. Wenn nur der Vater auch so was Gutes hätt', und wenn er dich nur auch sehen könnt'. Sein Herz hängt an dir, ach, und du bist jetzt auch mein einzig Kind. Komm, leg' deinen Backen wieder an meinen Backen. So. Jetzt sag', wie kommst denn du daher? Wie ist dir's denn gangen?«
    Fränz schluckte die Thränen hinab, da sie die Mutter so beruhigt sah und dieselbe nicht wieder neu aufregen wollte. Sie erzählte mit möglichster Umgehung alles Erschütternden, wie sie das Brandunglück erfahren und sagte zuletzt:
    »Den heutigen Tag, Mutter, den werde ich nie vergessen. Was ich da Alles gedenkt und erfahren hab'. O Mutter! und die Menschen sind so gut, wenn sie Einen im Unglück sehen; Alle, wo mit gefahren sind und in allen Wirthshäusern haben sie mir beigestanden und haben mich getröstet und hätten mir gern in Allem geholfen. Kommet, legt Euch ein bisle auf's Bett, ich will Euch erzählen.«
    Fränz trug in starken Armen die Mutter auf das Bett, dann setzte sie sich daneben und ihre Hand haltend, begann sie zu erzählen; aber bald merkte sie, daß die Mutter schlief. Sie hielt noch lange still die Hand der Schlafenden und wagte es nicht, sich zu bewegen; endlich legte sie die Hand auf das Kissen und leise auf den Zehen schleichend, hatte sie sich der Thüre genähert, als die Mutter rief:
    »Kind, wohin willst?«
    »Zum Vater.«
    »Da muß ich auch mit, ich bin ganz wohlauf.«
    Es half kein Abwehren, und nachdem Fränz die Mutter wohl eingemummt, verließ sie mit ihr die Post.
     

Achtzehntes Kapitel.
     
    Die Wintertage waren so kurz und der junge Amtsverweser, der bald seinen Fehler erkannte, daß er die erste Anklage gegen Diethelm in dessen Beisein vernommen, wollte ihm nicht Zeit lassen, sich ein Gewebe von Aussagen zu knüpfen. Er nahm den Gefangenen daher noch am Abend in's Verhör und Diethelm war es allerdings schauerlich, als er durch matterleuchtete schallende Gänge nach der Verhörstube geführt wurde. Hier war es noch leer. Diethelm erhielt vom Landjäger den Befehl, sich auf einen Stuhl an der Wand zu setzen, wo gerade hüben und drüben Wandleuchter mit brennenden Kerzen ihren Lichtschein ihm in's Gesicht warfen; er wollte wegrücken, erhielt aber die Weisung, just hier sitzen zu bleiben. In der Stube waren nur noch zwei Lichter, am Sitze des Actuars hinter dem Actengestelle, an dem langen grünen Tische, und der Schatten des Gestelles breitete sich weithin in die Stube. Diethelm wollte dem Landjäger neben ihm

Weitere Kostenlose Bücher