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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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»Ja, der Vater,« keuchte Fränz und wollte sich eben wieder umwenden, um dem Kommenden entgegen zu gehen, als die Mutter mit einem Schrei vom Stuhl auf den Boden fiel. Sie beugte sich über sie, als Diethelm eintrat, und kaum hatte er mit seiner klangvollen Stimme die Worte gesprochen: »Was ist der Mutter?« als die Ohnmächtige die Augen aufschlug und in ein krampfhaftes Weinen und Lachen ausbrach, daß Diethelm mit zitternden Händen dastand und gar nicht wußte, was er thun sollte; er fuhr seiner Frau mit der Hand über das Gesicht, und sie faßte seine Hand und hielt sie fest an den Mund und konnte noch immer nicht sprechen.
    »Martha, ich bin frei,« sagte Diethelm, sie aufrichtend, »nimm dich zusammen und sei froh. Es ist ja Alles wieder gut.«
    Martha hielt immer noch seine Hand fest und das erste Wort, das sie sprach, war:
    »Alles, was ich auf dem Leib trage, schenke ich einer armen Frau, und meinen Mantel auch, und ich will Gutes thun an der ganzen Welt. Komm Diethelm, komm, weißt was wir thun wollen? Wir wollen jetzt gleich in die Kirch' gehen, komm, Fränz, komm.«
    »Du bist jetzt so schwach, laß es auf ein Andermal.«
    »Nein, nein, jetzt gleich, ich bin nicht schwach, es hat mich nur so angewandelt. Ich bitt' dich, folg' mir jetzt, ich will dir auch in Allem folgen, was du willst.«
    Diethelm mußte willfahren und mit seiner Frau in die Kirche gehen. Es schauerte ihn und durchfuhr ihn eiskalt, als er in die hohe Halle eintrat; er warf sich mit seiner Frau vor dem Altar nieder und bat Gott, ihn auf dieser Welt um seiner Frau und seines Kindes willen zu verschonen.
    Als sie aus der Kirche traten, wo sich viele Menschen versammelt hatten, schenkte Martha sogleich einer armen alten Frau ihren Mantel und gab nicht nach, daß sie den Mantel nur noch bis zur Post behalten möge. Diese Schenkung, sowie der auffallende Kirchgang überhaupt, verbreitete sich schnell, und Diethelm hörte schon auf seinem Heimweg davon reden; viele Menschen, die er starr ansah, zogen den Hut vor ihm ab, und er sah, daß er neue Ehre gewonnen habe, er war entschlossen, sie zu behaupten.
    Als sie aus der Kirche zurückgekehrt waren und die Glückwünschenden sich entfernt hatten, saß Diethelm lange am Tisch, auf den er die Arme gestemmt und den Kopf in die Hände gedrückt hatte, und als ihn Martha bei der Hand faßte, schaute er zu ihr auf und große Thränen rollten über seine Backen. Zum Erstenmal in ihrem Leben sah Martha ihren Diethelm weinen, sie schrie laut auf, er aber beruhigte sie, und es war die volle Wahrheit, als er ihr sagte, daß diese Thränen ihn erfrischt und ihm hellen Muth gegeben hätten.
    Martha drängte, daß man noch heute heim nach Buchenberg zurückkehre; Diethelm sah sie traurig an, da sie vom Heimkehren sprach, wo waren sie daheim? Er fragte nach seinen Rappen, und als er hörte, daß sie in Buchenberg stünden, blieb er fest dabei, erst morgen abzureisen; er schickte sogleich einen Boten nach seinen Pferden, das war das Einzige, was ihm lebendig von seiner früheren Habe verblieben war und mit ihnen wollte er stolz in Buchenberg einziehen.
     
Einundzwanzigstes Kapitel.
     
    Nahezu zwei Monate hatte Diethelm im Gefängnisse gesessen, es hatte mehrmals gethaut, aber auch immer wieder frischen Schnee gelegt und heute war ein heller, mäßig kalter, echter Schlittentag. Diethelm hatte sich gewundert, daß nicht der Vetter selber das Fuhrwerk gebracht, sondern einen Knecht mit demselben geschickt hatte. Die Rappen schienen ihren Herrn nicht mehr zu kennen, sie senkten die Köpfe, so sehr auch Diethelm sie klatschte, mit ihnen sprach und ihnen salzbestreutes Brod vorhielt, sie hatten eben jenen gejagten Brandabend noch nicht vergessen und spürten ihn noch immer. Diethelm dachte, daß alle Welt verändert sei und gewiß waren alle Häuser verschlossen und Niemand drängte sich zu ihm und reichte ihm die Hand, nicht einmal der Vetter war gekommen ihn abzuholen. Die Menschen sind Alle falsch wie Galgenholz, sie klagen und krächzen um einen Todten, und wenn er plötzlich wiederkäme, sie wären voll Zorn auf ihn, weil er sie um ihr Mitleid betrogen. So dachte Diethelm, als er mit der Wolfsschur angethan auf dem Vordersitze saß und die Pferde lenkte, hinter ihm saßen die Mutter und Fränz. Diethelm nahm sich vor, nur noch Einmal nach Buchenberg zurückzukehren, Allen seine Verachtung zu zeigen und sie dadurch zu züchtigen, daß er den Ort auf ewig verließ, sie waren es nicht werth einen Mitbürger zu

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