Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Diethelm eigentlich froh, daß dieß noch nicht eingerichtet war.
Jetzt zum Erstenmal fühlte Diethelm ganz deutlich, wie ein Scheinleben gewiß nicht minder gräßlich ist, als ein Scheintod, aber er war entschlossen, ihm mit starkem Willensmuth zu trotzen.
Die ganze Gemeindevertretung trat bald bei ihm ein, und der Obmann frug Diethelm geradezu, ob es wahr sei, daß er, wie der Waldhornwirth gesagt, vom Dorfe wegziehen wolle.
Diethelm gab ausweichenden Bescheid, denn er erkannte plötzlich, daß die Ehrenbezeigung nicht pure Huldigung war; man wollte ihn mit seinem Vermögen im Dorfe fesseln. Der Obmann erklärte, daß man mit der Schultheißenwahl auf ihn gewartet habe, er werde einstimmig gewählt, wenn er willfahre. Diethelm machte noch einige scheinbare Widersprüche, daß er jetzt zu viel mit Ordnung seiner Angelegenheiten zu thun habe u.dgl.; auf vieles Zureden gab er indeß nach, er fühlte doch erst im Dorfe und so zu sagen in den niederen Stuben recht deutlich das Maß seiner Größe, und ihn erquickte der Gedanke, nun ein festes Ehrenamt zu bekleiden, bei dessen jedesmaliger Benennung ihm stets klar vor Augen liegen mußte, in welchem Ansehen er stand und wie kein Mackel an ihm hafte. Er bedurfte dessen jetzt doppelt, denn seitdem er wieder in's Dorf zurückgekehrt war, fühlte er sich so bang, als ob ein Gespenst ihm auf dem Nacken sitze und ihn bei allen Ehrenbezeigungen auslache und heimlich zwicke und quäle. Und doch wollte er erst wenn Alles vergessen war und seine Fränz sich verheirathet hatte, das Dorf verlassen; vorher erschien es ihm verdächtig.
Ein großer Haufe Geld, wie ihn baar das Dorf noch nie gesehen hatte, kam andern Tages an, es war die volle Versicherungssumme für die Fahrniß. Der überbringende Kaufmann Gäbler war voll Unterwürfigkeit gegen Diethelm und empfahl sich ihm zu jeglicher Vermittlung. Nun ging es an ein Abwickeln der Schulden und zwischen hinein an Uebernahme der Erbschaft vom Kohlenhof, und im Waldhorn war allzeit ein reges Leben. Das Haus selbst, das in der Staats-Brandkasse versichert war, wurde erst zur Hälfte bei Beginn und zur andern Hälfte bei Vollendung des Wiederaufbaues bezahlt. Diethelm ließ schon im Winter Steine brechen und fahren, und verschaffte dem Dorf und der ganzen Umgegend gesegneten Verdienst in einer sonst kahlen Zeit; aber weder er selbst, noch Martha besuchten je die Brandstätte, nur Fränz war mehrmals dort gewesen. Es schien Alles wohl zu gehen, nur Martha klagte viel über das Leiden in ihrer rechten Hand; die Mittel des oft herbeigerufenen Arztes verschlugen nicht, der Daumen, Zeige- und Mittelfinger waren wie abgestorben, leichenhaften Ansehens. Der Arzt behauptete, diese Finger seien durch zu eifriges Spinnen mit der Spindel abgetödtet, und Diethelm bestätigte, daß ihm seine Mutter oft erzählt habe, Spindeln seien giftig; aber seine Frau habe nie nachgegeben und am Rädchen spinnen lernen wollen. Er klagte nun auch, nachdem er Frau und Tochter fortgeschickt, sein eigen Leid, wie es ihm stets mitten im Körper so kalt sei und es ihn innerlich stets friere, wenn er am Ofen sitze und fast verbrate. Der Arzt bedeutete, daß das vielleicht ein innerlicher Rheumatismus sei und daß es sich gerade schicke, Frau Martha müsse im nächsten Sommer nach einem warmen Bade und der Herr Diethelm auch.
Als Diethelm diese Botschaft seiner Frau verkündete, sagte sie:
»Der Doctor versteht mein Uebel nicht, aber ich versteh's. Sei nur nicht bös, ich muß es aber doch zu einem Menschen sagen; guck, mir sind just die drei Finger abgestorben, mit denen ich einen falschen Eid geschworen hätt', wenn ich hätt' schwören müssen.«
»Du? Wo denn?«
»Ich hätt' vor Gericht geschworen, daß nie vom Anzünden zwischen uns die Rede gewesen ist, ich hab' gemeint, ich bring' dich damit in Ungelegenheiten, wenn ich's sag.«
»Dummes Zeug, das hätt'st du wohl auch mit einem Eid sagen können, ich hab' noch ganz andere Sachen zu Boden geschlagen,« polterte Diethelm; als er aber das schmerzzuckende Antlitz seiner Frau sah, setzte er begütigend hinzu: »Red' dir nur nichts ein von einem falschen Eid, du hast ja gar nicht geschworen, und hättest du auch, wär's auch nicht falsch gewesen, du hast ja blos etwas verschwiegen, und wenn alle Menschen, die falsche Eide geschworen haben, todte Finger bekämen, es gäb' wenige, die eine Prise nehmen könnten.«
Martha schwieg, ein schwerer Gedanke stieg in ihr auf, den sie aber mit aller Macht bannte. Wie
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