Schwarzwaelder Dorfgeschichten
überhieb, daß er winselnd davonjagte. Drinnen in der niedern Stube, die Stirne an die Fensterscheiben gedrückt, stand der alte Schäferle und aus seinem zerfallenen Antlitze sprach Kummer und Klage, daß man einen Mann wie Diethelm wie einen Alles beglückenden Helden einholte. Diethelm sah nur einen Augenblick unwillkürlich hinüber und Martha grüßte den so schwer betroffenen Trauernden, dieser aber blieb starr und bewegungslos. Weiter ging der Zug und ordnete sich noch einmal unter Trompeten- und Jubelschall.
Als Diethelm am Waldhorn absteigen wollte, stellte sich der Wirth neben ihn und hielt ihn auf dem Schlitten. Er hatte als diensteifriger Marschall diese Huldigungen angeordnet und verlangte nun auch deren richtigen Verlauf.
»Ihr müsset ein paar Worte reden,« lispelte er Diethelm zu und rief dann laut: »Ruhe! Stille! der Herr Diethelm will reden.«
»Liebe Freunde und Mitbürger!« begann Diethelm, und nochmals wurde Ruhe geboten, worauf er wiederholte: »Liebe Freunde und Mitbürger! Ich danke euch von ganzem Herzen für die Ehre und Liebe, die ihr mir erweist, ich werde sie euch nie vergessen, obzwar ich sie nicht verdiene. Was hab' ich denn Großes gethan? Ich bin kein Brandstifter, kein Mordbrenner, das ist Alles. Mein Ehrenname steht wieder rein da. Ich will hoffen, daß ihr mich einstmals eben so mit Ehren hinaustraget, wenn man mir ein eigen Haus anmißt. Haltet fest.«
Dieser Gedanke schien Diethelm so zu übermannen, daß seine Stimme zitterte, der Vetter aber neben ihm brummte: »Wie kommen die Rüben in den Sack?« und Diethelm setzte noch hinzu:
»Ich dank' euch, ich dank' euch viel tausendmal.«
Diethelm hielt inne, aber der Vetter drängte wieder:
»Noch was, so kann's nicht aus sein, saget noch was,« und Diethelm fuhr fort:
»Viele von euch haben gehört, was man mich angeklagt hat, aber meine Freisprechung ist hinter verschlossenen Thüren vor sich gegangen. Freut euch, daß das bald ein Ende hat, wir bekommen das Schwurgericht, wo wir selber richten und Alles öffentlich.«
Diethelm hielt wieder inne und wollte absteigen, aber der Vetter ließ ihn nicht vom Platze und drängte: »Das ist nicht genug, ladet sie wenigstens zu einem Trunk ein.« Diethelm fühlte, daß er jetzt keine Schmauserei halten konnte, es war schon zu erdrückend viel an dem Geschehenen, er schloß daher: »In vier Wochen halt' ich meiner Bruderstochter hier Hochzeit, ich lad' euch heute Alle dazu ein auf meine Kosten. Nochmals sage ich euch meinen herzlichen Dank.«
Diethelm drängte den Vetter fast zu Boden, als er abstieg.
Unter den Reitern zeigte sich aber eine offenbare Mißstimmung. Es geht im Großen wie im Kleinen so, ein versprochener Zukunftstrunk macht eher verdrossen als lustig, wer weiß, was dann ist wenn die versprochene Zeit kommt; man will eben trinken, wenn Gemüth und Zunge einmal dazu vorbereitet sind, heute, eben jetzt, und da hilft eine noch so sichere Vertröstung auf kommende Tage nichts.
Der Vetter sah schon, daß er etwas auf seine Kappe nehmen mußte, er war der nachträglichen Bestätigung sicher; er sagte daher jedem Einzelnen, daß es bei der Hochzeitseinladung verbleibe, daß aber heute Jeder ein Halbmaas Wein auf Diethelms Kosten trinken könne, er habe das nur nicht laut sagen wollen, weil er glaube, es schickt sich nicht.
Nun war doch eine mäßige Beruhigung hergestellt und im Waldhorn ging's hoch her in Schmausen und Unterredungen. Die eine Halbmaaß zog Kameraden nach und der Vetter hätte nichts dabei verloren, wenn er die Schenkung wirklich auf seine Kappe genommen hätte. Diethelm saß indessen in der obern Stube und hielt beide Hände vor's Gesicht, die Augen brannten ihm, aber weinen konnte er nicht. Mitten unter dem Ehrenjubel, der ihn neu in's Leben zurückführte, konnte er den Gedanken nicht los werden, daß das ein Leichenbegängniß wäre, sein eigenes, er war scheintodt, und er konnte nicht aufschreien: ihr begrabt einen Mann der lebt, nein, ihr begrüßt unter den Lebenden einen Todten. Hirnverwirrend drang es auf ihn ein und er meinte, er sei wahnsinnig, er hätte gerne gesprochen, um vor sich selber sicher zu werden, wie er sei, aber der Lärm war so groß und Fahren und Reiten so wild. Darum freute er sich Anfangs, als er seine eigene Rede vernahm, die so klug war, aber mitten in dieselbe sprang ihm unversehens der Todesgedanke, und wie ein fester Stern, der aus der Irre führt, erschien plötzlich die Anrufung des Schwurgerichtes. Und doch war
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