Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Menschen, die Diethelm immer als harten Mann gekannt hatten, lobten ihn sehr, weil er bei dem Begräbnisse so heftig weinte.
Die volle Kraft war wieder über Diethelm gekommen, er besuchte die Brandstätte und ordnete den Bau und fuhr oft mit seinen Rappen über Land. Draußen fühlte er sich erst recht wohl. Zwar blieb es eine Widrigkeit, daß er von jedem neu Begegnenden eine Beileidsbezeugung anhören und darauf mit einer schmerzvollen Miene oder auch mit einem Ausruf der Trauer dankend erwidern mußte; war aber dieß vorüber, hatte man hin und her den Heuchlerzoll bezahlt, dann überließ man sich ohne Scheu der Freude und dem Glückwunsche. Diese immer wiederkehrende Wahrnehmung, wie lügnerisch die ganze Welt sei, da man Mitleid darlegte wo man keines hatte und im Gegentheil fast Neid empfand, da man Klagen auspreßte wo man Freude vermuthen mußte, dieses ganze jämmerliche Possenspiel war für Diethelm fast ein Labsal. Es war ihm recht, daß die ganze Welt schlecht war und es keinen ehrlichen Menschen giebt.
Die ganze Welt verachten, das ist im Bauernrock wie in der Galla Uniform das beste Mittel, um nicht zur richtigen Schätzung seines eigenen Werthes zu gelangen.
Diethelm gewöhnte sich an das Bewußtsein seines Verbrechens, wie man sich an ein untilgbares körperliches Leiden gewöhnt; Anfangs will sich die gesunde Kraft nicht drein fügen, immerdar eine Behinderung zu finden, nach und nach aber setzt sie sich damit zurecht. Wir sind allzumal gebrechlich und sündhaft, das lernt der Stolz der übermüthigen Kraft einsehen und es fragt sich nur noch um das Maß des notwendigen Mangels.
Während Diethelm sich draußen tummelte, war Munde daheim viel beschäftigt und viel bewegt. Er war gerade in entgegengesetzter und doch nicht unähnlicher Lage wie Diethelm. Jedermann glückwünschte ihm zu seiner so überaus günstigen Lebenswendung und er wollte diese gutherzige Freude der Menschen nicht dadurch stören, daß er ihnen sagte, wie tief er den gräßlichen Tod seines Bruders betraure, und daß ein so schwarzer Fleck auf seinem Andenken ruhe; er glaubte, das nicht aussprechen zu dürfen, daß er, wie der Vater ihm täglich vorhielt, aus der Asche seines Bruders sich sein Glück erbaue. Munde war ein seltsamer Bräutigam: es freute ihn, daß Diethelm wieder von Auswanderern ein stattliches Bauerngut zusammen kaufte, aber wenn er Diethelm dann so im Gelde wühlen sah, war es ihm oft als müsse er aus einer Verzauberung über alle Berge entfliehen und ihm schauderte vor jedem Kreuzer, den er davon in die Hand nahm, als könnte er sich plötzlich in brennende Kohle verwandeln. Er half den Bau leiten. Im Frühlingsthauen, das jetzt begann, wurden die Grundmauern gegraben und es schien in der That, daß Diethelm nicht prahlte, wenn er sagte, daß er ein kleines Schloß baue.
Wenn Diethelm über Land fuhr, spannte ihm Munde ein, hielt ihm oft eine Stunde lang die Pferde vor dem Hause und benahm sich überhaupt wie ein Knecht, nicht aber wie der Sohn des Hauses. Darüber hatte er viel bei Fränz auszustehen, die überhaupt jetzt die ganze Schärfe ihres Wesens offenbarte; sie verlangte, daß er sich gegen den Vater ganz anders stelle, der müsse unterducken und dürfe nicht mehr den Herrn spielen, das Sach' gehöre jetzt den jungen Leuten und nicht mehr den alten; wenn Munde nicht den Muth und das Geschick habe, solch ein großes Anwesen in die Hand zu bekommen, hätte er davon bleiben sollen. Es gab oft die ärgerlichsten Auftritte zwischen Munde und Fränz, und wenn dann Munde das Wasser in den Augen stand, lachte ihn Fränz schelmisch aus, faßte ihn am Kopfe, küßte ihn wacker ab und sagte: »Munde, du hättest sollen ein Klosterfräulein werden, du bist so windelweich; fluch' einmal recht wetterlich, ich glaub's gar nicht daß du's kannst. Sei froh, daß du nicht in Krieg kommen bist, du hättest Keinen erschossen. Mach, fluch' einmal so recht mörderlich. Ich hab' dich nachher noch einmal so lieb.« In solcher Weise zerrte Fränz ihren Munde hin und her und machte aus ihm was sie wollte. Diethelm war oft jähzornig gegen ihn, weil er die Arbeitsleute beim Baue nicht scharf genug anhielt; nur die Mutter war stets liebreich und mild gegen ihn und erfreute ihn oft durch Vorzeigung der schönen Aussteuer, die sie für ihn und Fränz bereiten ließ.
Fränz hatte nicht nachgelassen, bis Munde einmal das Fuhrwerk für sich nahm und mit ihr eine Lustfahrt nach der Stadt machte.
Munde hatte sich nie dazu
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