Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Macht der harmlosen Treuherzigkeit. Der Munde war doch so ohne Falsch und so seelengut, daß sie ihn in diesem Augenblicke mehr liebte als je, und sie gab ihm von selber einen Kuß.
Munde war ein finsterer Gevatter von gar nicht bräutlicher Laune, und als ihn der Geistliche um den Namen des Täuflings fragte, gab er nicht, wie verabredet, den Diethelms an, sondern rief zitternd: Medard! Er bebte in der Kirche, denn er dachte, daß einst seine eigenen Kinder einen Großvater liebkosen sollten, der so Arges gethan. Beim Taufschmause schnitt es ihm Anfangs in die Seele, da man ihn als glücklichen Schwiegersohn Diethelms laut pries und der junge Kübler ihm ein Hoch ausbrachte, daß er ebenfalls ein Familienfürst werden möge, wie sein Schwäher. Nach und nach – die Huldigung hat allezeit ihren verführerischen Reiz – beschwichtigte Munde die Gewissensschreie in seinem Innern, zumal er Fränz so überaus glücklich sah. Fränz war es gewohnt, sich in den Familien der von ihrem Vater Beglückten preisen und erheben zu lassen, und wie sie Geschenke ausbreitete und Alles voll Dank und Lob war, zeigte sie wirklich eine hohe Freude und Gutherzigkeit; sie suchte an sich herum, ob sie nichts mehr zum Verschenken habe und löste ihre Korallenschnur ab. Unter all dem verworrenen Gestrüppe blühte doch in ihr die Blume wirklicher Milde und Freigebigkeit.
Im Nachhausefahren umarmte Munde seine Fränz voll Glückseligkeit, da sie sagte, wie gut sie es doch hätten, da sie so vielen Menschen Gutes thun könnten. Das war jetzt auch für Munde ein Trost, in dem er zu vergessen suchte, wie schreckenvoll Alles um ihn sei.
Es sollte ihm aber nicht ganz gelingen.
Vierundzwanzigstes Kapitel.
Die Landstände hatten glücklich das alte Einsteherwesen wieder hergestellt. Zum großen Pferdemarkte, der alljährlich in der Hauptstadt abgehalten wurde, schnallte sich Diethelm eine vollgestopfte Geldgurte um, er wollte sich ein neues Gespann und einen modischen sogenannten Charabank kaufen und dann seinen Schwiegersohn vom Militär losmachen. Munde verließ nur ungern jetzt seinen Vater, der fast nicht mehr vom Bette herunter kam und zusehends abfiel; der alte Schäferle wollte aber nichts von ihm wissen und sagte immer: »Laß du uns Beide – er meinte sich und den Paßauf – nur allein, geh' du deiner Wege, sei glücklich so gut du's kannst. Du bist jung, bei dir verlohnt sich's noch, der Diebshehler zu sein, ich bin schon zu alt, ich wär' ein Narr, wenn ich erst so spät anfangen thät.« Martha versprach des kranken Mannes zu warten, Fränz ließ sich nicht davon abbringen, mit nach der Hauptstadt zu reisen; was sie einmal wollte, das mußte auch geschehen.
Am Morgen als Munde kam, schickte sie ihn noch einmal nach Hause, er mußte die neuen Kleider anziehen, die sie nach städtischer Tracht für ihn bestellt hatte. Als er wieder kam, knüpfte sie ihm das Halstuch nochmals anders und sagte dann frohlockend, sich vor ihn hinstellend:
»So. Siehst du? so, jetzt bist ein Mann, der sich sehen lassen darf.«
Schon beim Einsteigen gab es Streit. Fränz behauptete, ein Brautpaar gehöre zusammen und der Vater solle auf den Vordersitz und kutschiren; aber Munde willfahrte ihr nicht und Fränz beruhigte sich erst, als ihr Munde sagte, daß die Herren in der Stadt oft selbst fahren. Draußen vor dem Dorfe gab es abermals Händel. Diethelm wollte, daß Munde die Geldgurte umschnalle, und setzte selbstverrätherisch hinzu: »In der Stadt kannst mir sie wieder geben.«
»Das leid' ich nicht,« schrie Fränz, »entweder – oder, entweder behaltet Ihr die ganze Zeit die Geldgurte oder mein Munde behält sie; er ist nicht Euer Knecht, er ist wenigstens grad so viel wie Ihr. Ihr könnet ja das Geld in's Kutschentruckle thun.«
Das wollte aber Diethelm nicht, sei es, daß er das Kutschentruckle noch scheute, oder daß er sein Geld auch zeigen wollte.
Wo man einkehrte, hatte Fränz bei der Ankunft und bei der Abfahrt noch manchen Zank mit dem Vater und mit Munde. Sie wollte es nicht dulden, daß dieser sich als Knecht benahm, ja sie weinte vor Zorn als Munde ihr nicht nachgab und sprach oft Stunden lang kein Wort mit ihm.
Im Oberlande war es noch ziemlich rauh und kalt, je mehr man aber nach dem Unterlande kam, zeigte sich der wonnige Frühling; man fuhr durch Buchen-Wälder, die in dem ersten so zarten knospenfeuchten Grün prangten, und bald fuhr man zwischen blühenden Obstbäumen, die hüben und drüben am Wege standen; aber in
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