Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Wiederherstellung des Einsteherwesens aufgesetzt und unterzeichnet.
Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Diethelm hatte auf den Abend die Stadtzinkenisten zur Tanzmusik bestellt. Diese Menschen mit ihren Trompeten und Posaunen hatten ihn so oft erschüttert und nun sah er, daß es keine Engel vom Himmel, sondern nur arme Schlucker mit langgestrecktem und gewundenem Messingblech waren. Wußte er das auch schon vordem, so that es ihm doch wohl, es so deutlich vor sich zu haben und die Zinkenisten nach seinem Gelust aufspielen zu lassen was er ihnen angab und manchmal sogar vorpfiff. Mitten zwischen den Tänzen mußten sie ihm sogar einmal einen Choral blasen, worüber viele Leute den Kopf schüttelten und sich entsetzten; Diethelm aber ließ an den Schlußton schnell einen Tanz heften und tanzte mit seiner Martha den Siebensprung wie ein junger Bursch. Es war spät in der Nacht und Diethelm ließ allen Gästen warmen Gewürzwein auftischen, er selber aber stand bald auf, es fehlte ihm noch Jemand, und der mußte herbei; alle Welt sollte seiner Ehre voll sein, Keiner ausgenommen.
Es war mondhell. In seine Wolfsschur gehüllt ging Diethelm das Dorf hinaus nach dem Hause des alten Schäferle. Vom Waldhorn herab, das glänzend in die Nacht hineinschimmerte, klangen bisweilen noch verlorene Töne; hier war Alles einsam und dunkel. Das Haus des alten Schäferle stand am Ende der sogenannten Luftgasse, die heute mit doppeltem Recht so hieß, denn der Wirbelwind tanzte gar lustig mit dem Schnee und machte sich selbst Musik dazu. Die Hausthür war offen, Diethelm schritt durch den Hausflur, der zugleich Küche war, in die Stube, auch hier öffnete sich die Thüre, aber Niemand regte sich, nur der Paßauf kam still herangeschlichen und Diethelm fühlte erschreckt die kalte Schnauze an seiner Hand.
»Ist Niemand daheim?« rief Diethelm jetzt laut.
»Ja freilich,« ertönte eine dumpfe Stimme. Der alte Schäferle auf der Bank hinter dem Tische rauchte einsam und die Pfeife im Mund haltend fuhr er fort:
»Ich weiß, warum der Diethelm kommt, aber er kann unverrichteter Sache wieder fortgehen.«
Diethelm setzte sich auf die Bank und redete dem alten Manne zu, seinen einfältigen Haß fahren zu lassen und glücklich zu sein mit den Glücklichen.
Der alte Schäferle antwortete Nichts, legte die Pfeife auf den Tisch, ging nach dem Schranke, brachte einen weiß eingebundenen Pack und legte ihn auf den Tisch, auf den ein schräger Mondstreif fiel.
»Wenn du das nimmst, geh' ich mit,« sagte er.
»Was ist's denn?« fragte Diethelm.
»Mach's auf.«
Diethelm öffnete und schrie laut auf, daß der Hund bellte. Er hatte einen Schädel mit halbverbrannten Haaren gefaßt. Der alte Schäferle packte ihn am Arme und rief:
»Da, da leg' deine Hand drauf, das ist mein Medard, da leg' deine Hand drauf und schwör', daß du unschuldig bist an seinem Tode. Schwöre, schwöre, so wahr dir Gott in deiner letzten Stunde beistehen mag. Schwöre, und ich will dir Abbitte thun. Red'! Jede Minute, die du schweigst, schreit, daß du doch ein Mordbrenner bist. Medard, sprich, sprich du, da ist dein Mund. Schwöre, Diethelm, schwöre!«
Diethelm war's, als ob alle Höllengeister ihn umzingelten, seine Hand war wie gelähmt, er konnte sie nicht zurückziehen von dem Todtenschädel des Ermordeten, aber plötzlich stieß er auf, daß der Schädel die Stube hinabkollerte.
»Du bist ein liederlicher Lump. Mich verhexest du nicht,« schrie er und seine ganze Kraft kehrte wieder.
»Woher hast du diese Sachen? Die Ueberreste Medards müssen ehrlich begraben werden.«
»Nimm sie mit, nimm sie mit, wenn du kannst,« knirschte der alte Schäferle. Diethelm stand auf und sagte mit fester Stimme:
»Ich hab' dir schon einmal gesagt, ich verzeihe dir, du hast deinen ältesten Sohn verloren, ich mache deinen jüngsten glücklich. Ich verzeihe dir. Morgen ordne ich an, daß Alles begraben kwird; gieb Acht, daß sich Alles wiederfindet, oder du sollst spüren, wer ich bin.«
Stark auftretend schritt er hinaus auf die Straße, und als er sich mit der Hand über das Gesicht fuhr, merkte er einen Modergeruch. Er wusch sich die Hände lange im Schnee.
Im Waldhorn wunderten sich die Leute, wie blaß Diethelm aussah, und wie er große Gläser warmen Weines hinabstürzte, als wäre es kühles Quellwasser.
Freude und Trauer folgten sich auf dem Fuße. Am andern Tage ließ Diethelm die Ueberreste des Entseelten, die der Vater willig hergab, feierlich begraben, und die
Weitere Kostenlose Bücher