Schwarzwaelder Dorfgeschichten
ersticken, aber es brennt weiter, unterirdisch, ungesehen, und eine Oeffnung, die sich aufthut, läßt die Flamme emporschlagen.
Diethelm fühlte bei diesen Worten, wie es wirklich in seinen Eingeweiden brannte, er hätte laut aufschreien mögen vor Schmerz, aber er bezwang sich. Als jetzt die Rechtsgelehrten der verschiedenen Stellungen gesprochen hatten, trat eine Pause ein. Man erwartete eine Ansprache aus der Mitte der Geschworenen. Einer stieß den Andern an, er möge reden, und doch hätte Jeder gern selbst gesprochen, die Pause dauerte peinlich lange, da erhob sich Diethelm. Er glaubte gerade besonders zeigen zu müssen, wie sehr er die Bedeutsamkeit der neuen Einrichtung erkenne, die Worte des Amtmanns bei der Wahlversammlung kamen ihm wohl zu statten, und hatte er sich vordem nicht gescheut, mit fremdem Geld und Gut groß zu thun, so hatte es mit einem fremden Gedanken gewiß viel weniger auf sich. Anfangs bebend, dann aber mit fester Stimme wiederholte er, in seine Weise übertragen, jene Worte; und Alle standen auf, als er plötzlich stotternd abbrach und die Hände faltend mit gehaltenem Tone das Vaterunser sprach.
Bevor die Namen der Geschworenen verlesen wurden, ließ der Vorsitzende durch den Gerichtsschreiber ein ärztliches Zeugniß vortragen, das der Steinbauer beigebracht hatte und das ihn befreien sollte. Nach kurzer leiser Berathung erklärte der Schwurgerichtshof, daß die Befreiungsgründe nicht zureichend seien. Diethelm schaute mit triumphirendem Lächeln auf den Steinbauer, der aber keine Miene zuckte.
Nun ging es an das Verlesen der Namen. Der Vorsitzende nahm bald rechts bald links die Zettel auf, die ihm die beiden Schwurrichter reichten und warf sie in die Urne. Dieses Aufraffen, Ausrufen und Versenken der Namen hatte für Diethelm etwas Eigentümliches, bang Räthselvolles, es war ihm, als wäre er wie sein Name in fremde Gewalt gegeben.
Als jetzt die Namen aus der Urne gezogen wurden, ballte Diethelm bei Jedem, der ausgerufen wurde, die Fäuste, um keinen Schreck zu zeigen, wenn er den Seinigen hörte, aber er kam nicht. Beim Namen des Steinbauern sprachen Staatsanwalt und Vertheidiger zugleich: Abgelehnt! worüber ein Lächeln in der Versammlung entstand, und der Vertheidiger mit höflicher Handbewegung die Ablehnung dem Staatsanwalt überließ. Der Steinbauer schaute herausfordernd auf Diethelm, seine Mienen sagten: ich hab's gewußt, daß ich frei werde.
Die zwölf Männer waren ernannt, Diethelm war nicht unter ihnen; er athmete frei auf. Nun aber erklärte der Vorsitzende, daß er noch zwei Ersatzgeschworene ausloose, und der erste Name, der jetzt erschien, war der Diethelms. Als er mit schweren Schritten nach der Geschworenenbank an dem dichtgefüllten Zuhörerraume vorüberging, hörte er dort sagen: schade, daß der nur Ersatzgeschworener ist, das wäre ein tüchtiger Obmann geworden. Diethelm schloß die Augen, als er in seinem Armstuhl saß: der Ehrenzuruf aus den Zuhörern hatte ihm sein fast stillstehendes Herz freudig bewegt. Durch ein Geräusch wurde Diethelm auf seiner inneren Versunkenheit erweckt, die Stühle rutschten und brummten, die ganze ruhige Versammlung kam plötzlich in Bewegung, dort auf der Erhöhung, wo das Gericht saß, war es dunkel geworden, denn die Mitglieder des Gerichtshofes, hinter deren Rücken die Fenster waren, hatten sich erhoben, und nun sprach der Vorsitzende den Geschworenen mit feierlicher Stimme ihren Eid vor, und Einer nach dem Andern erhob die Hand und sprach: »Ich schwör' es, so wahr mit Gott helfe.« Es waren ruhige überzeugungsfeste Stimmen und Jeder, der es hörte, wie hier die innere Wahrhaftigkeit sich laut betheuerte, mußte ergriffen und erschüttert werden; es war eine rechtsprechende Gemeinde, darin ein Jeder aus Herzensgrund sein Bekenntniß aussprach, und über der ganzen Versammlung ruhte eine ernste Gehobenheit, denn die Heiligkeit des Beginnens, der Geist der Wahrhaftigkeit schwebte darüber.
Diethelm sprach den Eid, und wie er die Hand emporhob, fühlte er's, wie wenn eine unsichtbare Macht seine Hand faßte, er senkte sie nicht, bis er sich niedersetzte und jetzt erst eine Müdigkeit fühlte, als wären ihm die Kniee zerbrochen.
Auf der Anklagebank saßen zwei junge Männer, des Complott-Diebstahls beschuldigt. Der verlesenen Anklage gemäß erschien dennoch der Eine mehr als Verführter. Der Staatsanwalt begründete in scharfsinniger Weise die Anklage, seine Stimme hatte etwas zitternd Melancholisches und
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