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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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wollte.
    Alles ließ sich zu größter Beruhigung an, nur Martha war nicht aus ihrer beständigen Trauer und Kümmerniß zu reißen, und wenn Diethelm sie damit abwies, sagte sie klagend:
    »Ich hab' ja sonst Niemand, dem ich mein Herz ausschütten kann, und mir bangt vor dem neuen Haus, wo der Medard verbrannt ist.«
    Diethelm hörte sie geduldig an, aber dieses ewige Klagen machte ihn stumpf gegen die Vorhersagung der Frau, daß sie den Einzug in's Haus nicht erleben werde.
    »Nur nicht prophezeien,« war seine beständige Rede, »das ist das Schlechteste was man thun kann. Ich hab' dir versprochen, daß ich dich nie mehr allein lasse, aber du treibst mich aus dem Haus, wenn du so fort machst.«
    Martha hatte in der That falsch prophezeit: der Sommer ging zur Rüste, und im Herbste zog sie, abgesehen von ihrem beständigen Leid, wohlbehalten in das wochenlang durchheizte neue Haus ein und nachdem das erste Mißbehagen überwunden, schien sie sich dessen zu freuen; zumal da Diethelm die junge Frau Kübler mit ihrem Kinde während der Abwesenheit der Fränz zu sich in's Haus genommen hatte.
    Nun erlaubte er sich auch allmälig seinem Versprechen untreu zu werden und buchstäblich hielt er es doch, wenn er wieder Tage und Nächte über Land blieb: Martha war ja nicht allein, die junge Frau mit dem Kinde war bei ihr. Wenn Martha ihn dennoch an sein Versprechen gemahnte, war er ungehalten und voll Jähzorn über diese unerträgliche Sklaverei und über dieses ewige Erinnern an ein Versprechen, das er schon von selbst halte und viel lieber, wenn er nicht daran gemahnt werde. Er blieb nun mehr als gewöhnlich zu Hause und jetzt erkannte er deutlich was er schon oft flüchtig wahrgenommen: wenn er im lebhaften Verkehr mit Menschen, und zwar mit recht vielen war, wich das Frösteln von ihm, in der Einsamkeit aber war es immer wieder da, unabwendbar. Diethelm knirschte über die neue Gefangenschaft, in der er sich befand, und jetzt fiel ihm das Mittel des alten Schäferle ein. Er kaufte Erlenholz und sägte Tage lang, als müßte er sein Brod damit verdienen. Der stolze, in grünen Saffianpantoffeln stolzirende und alle schwere Arbeit verhöhnende Diethelm war in das Loos eines armen Taglöhners verfallen, aber er war dabei doch froh, denn er fühlte in der That eine lange nicht empfundene Wärme; das Holz, das, haufenweise in den Ofen gesteckt, ihn nicht von seinem Frösteln befreit hätte, erwärmte ihn jetzt bei dessen Verarbeitung. Vom Morgen bis zum Abend arbeitete er im Schuppen und lauschte dann oft selbstvergessen den wunderlichen Tönen der Säge; wie das klingt und schrillt beim ersten Einschnitt und dann zum Kern des Scheites gelangend so dumpf tönt und wieder in's Schrille, Kurzathmige übergeht beim Ende des Durchschnittes. Mochte es aber klingen wie es wollte, wohlige Wärme durchströmte den Körper. Die Leute sagten, der Diethelm sei geizig geworden, seitdem sein Reichthum gestiegen sei; er ließ sich diese Nachrede, die ihm wieder zukam, gern gefallen, denn auch im Geiz liegt ein gewisser Ruhm, da seine unbezweifelte Voraussetzung der Reichthum ist.
    Wenn er manchmal einen Tag in seiner mühseligen Arbeit aussetzen wollte, kam wiederum das Frösteln über ihn, als wollte sich alles Zurückgedrängte auf Einmal geltend machen; er mußte aufs Neue wider Willen an die unscheinbare und doch so mühselige Arbeit, als hätte ein Zauber ihn darin festgebannt. Es half nichts anderes.
    Da kam ein neues Ereigniß, das ihn von dieser Arbeit und seiner häuslichen Gefangenschaft befreite, ohne daß Martha zu einer Einsprache berechtigt war.
    Das Schwurgericht, das man in stürmischen Zeiten verheißen hatte, wurde jetzt nach Herstellung der nöthigen Bauten in der That eingesetzt. Der veränderten Zeitrechnung zufolge wurden aber die Geschworenen nicht nach allgemeinem Wahlrechte frei gewählt, sondern die Amtsversammlung, bestehend aus den meist gefügigen Schultheißen und einem Theil der Obmänner des Gemeindeausschusses wählte einen sogenannten Siebenerausschuß und dieser ernannte die Geschwornen aus der Zahl der Höchstbesteuerten und Nichtdemokraten. Eines Tages kam der Vetter Waldhornwirth hastig mit der Landeszeitung in der Hand und sagte zu Diethelm:
    »Da kommet Ihr in der Zeitung, Vetter.«
    »Ich? Wie?« erwiderte Diethelm sich verfärbend, und nahm mit Zittern das Blatt in die Hand. Er las die Liste der Geschworenen und als Dritter stand sein Name. Lange starrte er darauf hin und rieb sich mehrmals die

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