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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Stirn, er wollte den Schreck vergessen, den er gehabt hatte, und jetzt war es ihm doch eine Freude, sich gedruckt zu lesen; er äußerte dieß aber nicht, sondern sagte nur, daß er um Dispensation bitten werde, da er in seinem Anwesen noch viel zu thun habe, und daß er auch seine Frau nicht verlassen dürfe. Martha entgegnete rasch:
    »Meinetwegen kannst du's schon annehmen, im Gegentheil, mir ist's lieb, wenn du ein paar Wochen fortgehst, lieber als wenn du so all Ritt verschwindest, wie in den Boden gesunken.«
    Der Vetter sagte, daß Diethelm gar nicht ablehnen dürfe; man wisse nicht, was die Menschen denken könnten, wenn er sich davon losangle; das ginge ihn zwar nichts an, aber er dürfe es auch ohnedieß nicht, er habe das Schwurgericht zu allen Zeiten gepriesen, und jetzt müsse er auch dabei sein.
    Diethelm schäumte innerlich vor Wuth. So hatte seine Freisprechung, hatten alle die hohen Ehren, die er genossen, nichts genützt; die Menschen, die so unterwürfig waren, hegten noch immer Verdacht gegen ihn, der allzeit bereit war loszubrechen. Der erstickte Argwohn in den Gemüthern glich der Flamme in einem niedergebrannten Hause, die immer wieder aufschlägt, sobald man einen Balken weghebt. Diethelm verfluchte die ganze Welt und zankte mit dem Vetter, als dieser entschuldigend sagte: er habe noch nichts gehört, von Niemand, er habe nur so gemeint.
    »Was hast du vorzudenken, was andere Leute denken können? oder bist du schlecht genug und blasest den Leuten selber ein, daß sie mich verunehren?«
    »Ihr wisset ja, wie ich zu Euch bin,« sagte der Vetter mit schelmisch bedeutungsvollem Blick. Diethelm sah das und wieder kam ihm die Vermuthung, daß der, den er sich am Nächsten glaubte, schlimmen Verdacht gegen ihn hegte; aber das Klügste war doch, immer zu thun, als ob er das nicht glaube; er sagte daher:
    »Wenn's nicht anders ist, nehm' ich's an. Hast Recht, Vetter, es kann mir Eins sein, was die Leut' denken, und ich freu' mich auch bei meinem Schwiegersohn zu sein. Weißt was, Frau? Geh mit.«
    Martha verneinte und Diethelm wiederholte seinen Vorschlag nicht. Denn wie Alles in der Welt seine vielfachen Gründe hat, so ging es auch hier. Diethelm wollte nicht nur zeigen, daß er keinen Gerichtshof scheue, er wurde auch von der Oede im Hause und den ewigen Klagen seiner Frau erlöst, wenn er sich davon machte.
    Diethelm hatte bei der bald darauf folgenden Amts-Versammlung die Genugthuung, vom Amtmann Niagara – der so genannt wurde, weil er im Gespräche immer ein mächtig schätterndes Gelächter erhob – mit besonderem Ruhme erwähnt zu werden, während den Anderen mit Recht vorgehalten wurde, daß sie gern freie Staatseinrichtungen hätten, aber dafür keinen Tag aufwenden wollten, so daß ihnen schon jedes Wählen zu viel Mühe sei.
    Diethelm sah stolz und selbstbewußt drein und bei dem gemeinsamen Mahle, das nach der Amtsversammlung gehalten wurde, erhielt Diethelm den Ehrenplatz neben dem Amtmann Niagara und half ihm tapfer lachen. Es gab besonders viel Witzreden über Diejenigen, die da gehofft hatten, daß den Geschworenen reiche Taggelder aus der Staatskasse ausgesetzt würden; der Steinbauer vor Allem mußte sich viele Neckereien gefallen lassen, weil er auf sein Dispensationsgesuch einen abschlägigen Bescheid erhalten hatte. Der Angegriffene wagte es nicht, den Spässen des freundlichen Amtmanns entsprechenden Widerstand zu leisten und ohne sich auf eine nähere Erklärung einzulassen, behauptete er, daß er doch noch frei werde.
    Noch nie kam Diethelm frohgemuther nach Hause, als von der heutigen Amtsversammlung und er wünschte sich, daß die Gerichtssitzungen nur bald beginnen möchten. Die Ehrenbezeigungen von den Beamten thaten ihm gar wohl.
    Als der Tag der Abreise kam, wollte es Diethelm wiederum bange werden, es erschien ihm als ein gefährliches Spiel, das er mit sich treibe. Er nahm sein Gefährte nur bis G. mit, dort gesellten sich im Eilwagen die anderen Geschworenen zu ihm, der Sternwirth und der Steinbauer waren auch dabei.
    Es war das erste Schwurgerichtstagen seit undenklichen Zeiten und alle Mitwirkenden waren in feierlich gehobener Stimmung, der der Vorsitzende des Gerichtshofes und der Staatsanwalt wie der Altmeister der Rechtsanwälte beredte Worte gaben. Besonders ein Wort des Vorsitzenden drang Diethelm in's Herz, denn er hatte gesagt: Ein Verbrechen, das ungesühnt in der Seele ruht, gleicht dem Brand in einem Kohlenbergwerke; man stopft es zu und will das Feuer

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