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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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oft so trocken war, daß eine Katz hinüberlaufen konnte, schwoll durch den anhaltenden Regen immer mehr an und wälzte seine braunen Wellen wildrauschend über die Felsen. Brosi stand einst auf dem schon schwankenden Steg still und wünschte sich, daß die Wellen den Steg jetzt fortrissen und ihn selbst mit verschlingen möchten. Es kamen Tage, an denen der Regen nachließ, aber weiter im obern Gebirge mußte er noch anhaltend sich ergießen, denn der Bach wurde immer höher und brachte ganze Baumstämme mit, die von den Uferbewohnern mit Hakenstangen, sogenannten Geisfüßen, als gute Beute eingezogen wurden. Eines Morgens kam Brosi an den Steg und schaute verwundert um sich; er kannte die Gegend kaum mehr, da war keine Spur des Steges und weit hinein in die Wiesen floß das Wasser und schwemmte das in Schochen zusammengerechte Grummet mit sich fort. Während Brosi noch umschauend da stand, sah er am jenseitigen Ufer im Grasgarten des Apothekerrösle die Monika. Er öffnete den Mund, aber noch ehe er ein Wort hervorbrachte, rief ihm die Monika so laut zu, daß er es trotz der rauschenden Wellen hören konnte:
    »Droben an der Bömle's-Sägmühle kann man noch 'rüber.«
    Betroffen von diesem Zurufe und mit höchster Anstrengung rief der Brosi hinüber:
    »Wir haben in Lustbarkeit nicht zusammen kommen sollen, es scheint, daß es in Traurigkeit sein soll.«
    »Wir brauchen gar nicht zusammen kommen, gar nicht,« lautete die schnippische Antwort der Monika, und sie verschwand.
    Den ganzen Tag mußte Brosi bei der Arbeit darüber nachdenken, wie so eigen die Monika ihm doch zugerufen und ihn dann so barsch abgewiesen hatte. In der mittäglichen Feierstunde ging er nach dem Hause des Apothekerrösle, er hustete mehrmals und wagte es nicht hinein zu gehen. Endlich fand sich eine schickliche Ausrede: sich eine Kohle vom Herde holen, um die Pfeife anzuzünden, ist eine unverfängliche Sache.
    Brosi ging nach der Küche, Monika stand scheuernd in derselben.
    »Ist's erlaubt, eine Pfeife anzuzünden?« fragte Brosi und Monika erwiderte:
    »Das kann man Niemand wehren.«
    Brosi nahm die Kohle und war eben im Begriff zu gehen, als er mächtig husten mußte; da klopfte es dreimal dumpf an die Küchenwand und die Mutter rief aus der Stube: wer draußen sei, solle zu ihr herein kommen. Brosi trat in die Stube, und erschrack heftig, da die Frau ihm aus dem Bett mit gellender Stimme entgegen rief:
    »Gleich thust die Pfeif' 'raus, gleich. Jeder Zug, den du draus thust, nimmt dir ein Stück Leben.«
    Nun fing das Apothekerrösle an, ihn vor Allem tüchtig auszuzanken, daß er mit der Monika nicht getanzt habe; sie habe gar nicht zum Tanz gehen wollen, und habe nur auf ihr Zureden nachgegeben, weil ihre Mütter so gut Freund gewesen seien. Hierauf ging es an ein Klagen, wie schlecht jetzt die Welt sei, vor Zeiten hätten verlassene Menschen zusammengehalten und Keines einem Andern eine Unehre geschehen lassen, jetzt aber hofire Alles den Holzbauern, die groß damit thun, daß sie das Geld von ihren Wäldern, die von selbst wachsen, verprassen können. Die Pfeife in der Hand, mit offenem Munde mußte Brosi zuhören, wie er immer schärfer abgekanzelt wurde; und dazu hörte er oft kaum die Worte, denn er sah jetzt das Apothekerrösle zum Erstenmal ganz in der Nähe, sie hatte ein Gesicht, das sie mit nie gesehener Behendigkeit bewegte, als wäre gar kein Knochen darin. Den Unterkiefer bewegte sie mit solcher Gelenkigkeit, daß man meinte, sie könne ihn über die Nase hinausheben; dazu bildete bei besonders höhnischen Reden und wenn sie lachen wollte, der linke Mundwinkel ein Pfännchen, mit dem sie schlürfte als ob sie eine Süßigkeit kostete; die Augen waren allerdings noch flimmerig, aber schrecklich anzusehen war der kahle Scheitel. Man konnte den Leuten nicht Unrecht geben, daß sie hier eine Hexe zu sehen glaubten.
    Als das Apothekerrösle sich sattsam ausgelassen hatte, schloß es damit:
    »Ich kann dir deinen Husten heilen, der dich unter den Boden liefert, wenn du nicht dazu thust. Deine Mutter ist auch schwach auf der Brust gewesen. O sie war ein' gute Seel' und hätt's besser verdient. Steig' einmal hinauf und hol' mir den Sack vom Himmelbett herunter.«
    Brosi that, wie ihm befohlen, und das Apothekerrösle übergab ihm eine Handvoll Thee von seltsamer Mischung, mit der genauen Anweisung des Gebrauchs, und entwickelte dabei solch eine mütterliche Sorgfalt untermischt mit liebevollen Erinnerungen an die Verstorbene,

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