Schwarzwaelder Dorfgeschichten
erhalten. »Mir nach!« sprach dann seine aufrechte Haltung wenn er sich erhob, und die Leute ließen es darob nicht an wirklichem und übertriebenem Lob fehlen, worauf er oft seinen Spruch hervorbrachte: »Mein Mann ischt koanr.« Mit seligen Hoffnungen und Verheißungen gespeist, ging Brosi nach Hause, blieb unterwegs bald bei Diesem bald bei Jenem stehen und sprach über Allerlei. Je näher er aber seinem Hause kam und den Rauch von der Lucke des Strohdaches aus dem weißen Schnee aufsteigen sah, um so mehr schmunzelte er in der Zuversicht eines besondern Genusses der auch nie fehlte. So oft er auch sein gutes Dutzend faustgroße Leberspatzen verzehrte, jedesmal rühmte er, daß gewiß, so weit man kocht, Niemand solche Leberspatzen bereiten könne wie seine Moni. Ueberhaupt war es ausgemacht, daß die beiden Ehegatten einander sehr viel lobten; aber Brosi erhielt auch hier den größern Theil und wer es noch nicht gemerkt hat, dem sei es jetzt ausdrücklich gesagt, daß Brosi eigentlich von Grund des Herzens eitel und lobsüchtig war, und zwar sehr eitel und sehr lobsüchtig.
Während der Mittagskirche saß Brosi vor einem durchschossenen Kalender und schrieb – er war ja von Endringen und hatte Schreiben, Tafelrechnen und Lesen gelernt und das konnte damals unter Zehn kaum Einer – mit harter Hand verzeichnete er den Arbeitslohn der Woche, was er davon erhalten und noch gut hatte und wie viel Klafter er überhaupt zu Thal geliefert; daneben wurde der Schindelverkauf genau berechnet und jede besondere Ausgabe, wie etwa die Herrichtung einer zerrissenen Sperrkette verzeichnet. Brosi hätte das Alles wohl im Kopf behalten können, aber erstlich erschien er sich in einer besondern hausväterlichen Würde bei solcher Buchführung – und Moni vergaß es nicht, ihn gebührlich darob zu loben, – und dann war es ihm in der That, als ob er sich eine Last abnehme, wenn er diese Sachen aus dem Gedächtniß schaffte; da auf dem Papier stand es sicher und fest, und wenn es eintönig aus der Kirche läutete, hing er den Kalender mit besonderem Behagen an den Nagel.
Junge Männer, die zu einer selbständigen Wirtschaftlichkeit gelangen, beginnen leicht eine übermäßig genaue Buchführung, lassen aber eben so leicht bald ganz davon ab, im stillen Vertrauen, daß sie nichts Unnöthiges verausgaben. Wir werden aber im Verfolge unserer Erzählung sehen, daß Brosi seinem Vorsatze durch länger als ein halbes Jahrhundert getreu blieb und eben diese wohlgeordnete Sammlung von Kalendern, unter denen die leider nur wenigen Jahrgänge des unübertrefflichen Rheinländischen Hausfreundes sehr verlesen sind, diente uns vielfach als Stützpunkt zu den Ereignissen im Leben Brosi's und erweckten ihn zu ausführlichen Berichten; denn wenn er nur in diese Blätter hineinsah, stand wieder Alles so lebendig vor ihm, als wäre es erst heute geschehen.
Oft war auch Brosi rascher fertig mit seinen Aufzeichnungen und fand dann noch Zeit, bei einem Nachbar einzusprechen. Das hatte aber Moni nie gern, sie sprach es nur Einmal aus und als das nicht gut wirkte, so arbeitete sie fortan im Geheimen mit allerlei Künsten daran, daß ihr Mann sich nicht daran gewöhne, seine Unterhaltung außer dem Hause zu suchen und kaum den Löffel aus dem Mund fortrenne, sondern daß er am liebsten daheim bleibe.
Damals war noch allgemein Sitte auf dem Walde, daß allsonntäglich nach dem Nachtessen die Eheleute, wenn sie gut mit einander lebten, gemeinsam in's Wirthshaus gingen. Es war nicht wie heute, wo der Mann sich allein einen frischen Trunk vom Fasse holt und die Frau mit versauertem Gemüthe daheim läßt. In der Regel gingen die Frauen aber, besonders solche die Kinder und ein großes Hauswesen hatten, wenn sie vom Glase genippt hatten, bald wieder fort und dieser Wirthshausgang war mehr eine Musterung über das Eheleben.
So ging auch Brosi das Dorf hinein und seine Frau hinter ihm, sie that das nicht anders, sie ging nie voraus.
Im Wirthshaus war strenge Rangordnung und Niemand dachte sie zu durchbrechen. Die Großbauern hatten ihren besondern Tisch und bekamen Flaschen und Gläser dazu, die Halbbauern saßen wieder gesondert und hatten glatte Schoppengläser, die Häusler, zu denen Brosi gehörte, saßen ebenfalls für sich und hatten gerippte Gläser. Dem Eintretenden brachte es indeß Dieser und Jener zu und er mußte aus jedem Glase trinken mit einem »Gesundheit« beim Ansetzen, und »Groß Dank« beim Absetzen. Wenn Brosi eintrat, war Keiner
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