Schwarzwaelder Dorfgeschichten
aber auch zu ihrer Zeit die wichtigsten Ereignisse.
Der Kilian hatte noch einen Bruder Namens Franz und außer seiner Schwester Rösle noch eine Namens Mariann erhalten, ein zweites Brüderchen lag neben dem Apothekerrösle auf dem Gottesacker. Es gab keine zweite Mutter in Haldenbrunn, die ihre Kinder mehr in Zucht und zur Schule anhielt als Moni; ja sie ging selber noch in die Schule und zwar bei ihrem Kilian, denn sie lernte bei diesem Geschriebenes lesen und selbst die Feder führen. Spielend und ohne daß die Kinder die Unwissenheit der Mutter merkten, lernte sie die Schreibkunst; sie hatte erfahren, wie nachtheilig ihr deren Mangel gegenüber den Kindern war und freute sich auch kindisch darauf, an Brosi selber einen Brief schreiben zu können. Es war ein seltsamer Anblick, wenn die Mutter mit den Kindern um den Tisch saß und wettete, wer zuerst mit seiner »Gschrift« fertig werde. Jener erste Brief Brosi's aus ihren ersten Ehejahren diente Moni als Vorschrift; sie hat dabei freilich nicht orthographisch schreiben gelernt, aber besser als Brosi brauchte sie es auch nicht zu verstehen und ihre Fehler waren gerade die, die Brosi auch machte. Dieser war ganz glückselig als ihm seine Moni so unverhofft einen eigenhändigen Brief in die Fremde schrieb. Die Kinder durften auch oft Briefe an den Vater schreiben, von denen aber natürlich höchstens einer abgeschickt wurde. Der wissenschaftliche Betrieb im Hause war aber doch weit geringer als der praktische in Wald und Feld. Kilian mußte die Kühe in den Wald zur Weide führen, denn die Grasnutzung im Walde war damals noch allgemein, die Anderen mußten Streu einthun, Erdbeeren, Himbeeren, Heidelbeeren und Wachholder sammeln, und theils selbst nach der Stadt zum Verkauf bringen, theils übernahm dies die Mutter. Ein besonderes Handelsgebiet war den Kindern aber auch darin eröffnet, daß sie im Herbste Lichtspäne – lange zugespitzte dünne Scheiben aus dem Kernholz von Kiefern, die man zur Beleuchtung in der Küche benützt – stundenweit in kleinen Körben auf dem Kopf nach dem Getreidelande tragen mußten, um dafür Mehl, Kleie, Schmalz oder auch Aepfel einzutauschen, und manchmal gab es sogar baares Geld, das die Kinder getreulich ablieferten. So kam es, daß Moni mit einem Häuflein Kinder nicht mehr brauchte, als da sie noch allein war, und die Kinder wurden gewitzigt und selbständig und früh auf ein sparliches Umtreiben hingewiesen.
Wenn Brosi im Frühling auf die Wanderschaft zog, begleitete ihn die Mutter mit den Kindern, die beiden Eheleute sangen nicht mehr, aber Brosi rief noch laut in der Ferne die Namen seiner Kinder nach einander, und das war doch noch herzerfrischender als aller Gesang.
Jedesmal wenn Brosi von der Wanderschaft nach Hause kam, kaufte er in der Stadt ein Weißbrod, und je mehr Kinder im Hause waren, je mehr Theile wurden daraus gemacht.
Das Heimweh Brosi's wurde oft wieder stärker, in den letzten Herbstwochen war er immer ein verdrossener Arbeiter, ohne rechte Eßlust und ohne rechten Schlaf. Um sich zu zwingen, setzte er sich daher jedesmal noch eine Woche weiter zum Aufenthalt in der Fremde fest, aber jedesmal wenn diese Woche kam, schenkte er sich dieselbe und eilte heim zu seiner Moni und zu seinen Kindern.
Brosi hatte noch eine zweite Wiese von anderthalb Morgen, die sogenannte Bömleswiese gekauft, es war dieß der Boden eines abgetriebenen Waldes im untern Forlenthale, da wo der Bach eine so starke Biegung macht, daß er die Wiese mehr als im Halbkreise umzieht. Moni hatte auch eine erkleckliche Beisteuer dazu gegeben, denn trotzdem sie vier Kinder hatte, gewann sie immer noch so viel Zeit zum Spinnen, daß sie neben dem Hausbedarf an Leinen fünfzig Ellen jährlich verkaufen konnte; daneben legte sie noch manches zurück zur künftigen Aussteuer für ihre Töchter, und dazu hatte noch jedes Kind einen baaren Fünffrankenthaler, denn Brosi hatte Jedem das Gleiche geschenkt wie seinem Erstgeborenen, und ganz allein von ihrer Ersparniß hatte Moni nicht nur eine vermehrte Kopfzahl für die im Kriege verlorenen angestammten Hühner erobert, sie vermehrte auch noch ihre Hausmacht durch fünf stattliche Gänse.
So schmerzvoll und niederdrückend es ist, wenn ein Familienvater sich trotz aller Mühen von Jahr zu Jahr verarmen und verkommen sieht, und das noch ein glückliches Jahr nennen muß, in dem er sich so durchschlug, daß er nichts einbüßte, eben so erquickend ist das Gefühl, sich wachsen zu sehen.
Es kommt so
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