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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Leben lang keinen Fuß darauf setzten. Es wurde Brosi nicht verwehrt, eine Art Verhau am Eingang des Gäßchens anzubringen, um auch seine Hühner und Gänse abzuhalten, daß sie den Weg nicht gingen. Brosi rammte aber scharfgespitzte Pfähle ein, daß sich Manche daran verwundeten, und wenn man Kies auf das Gäßchen schüttete, um es trocken zu legen, war er am andern Morgen verschwunden; den größten Theil des Jahres gab es keinen nasseren Weg, als eben dieses Gäßchen.
    Die Gäßlesgeschichte war noch lange der geheime Kummer Brosi's; er klagte besonders dem Gevatter Gipsmüller oft, daß dieß das einzige Leid sei, das er mit sich herumtrage und empfing die Tröstung, er solle zufrieden sein, daß er sonst keines habe.
    Im Jahr Achtzehn erließ die Regierung die folgenreiche Verordnung, die den Beamten jegliche Geschenkannahme verbot; dieß traf besonders auch die Forstbeamten, und der Revierförster, der seinem Pathen den Namen des Königs gegeben, schien es doch gerathen zu finden, dem Kuhhirt von Ulm zu folgen und von selbst abzudanken; er widmete sich fortan dem Holzhandel und machte schon damals Brosi den Antrag, als Kürer, der die Stämme im Wald aussuchen hilft und eine Art Aufsicht über die Holzknechte hat, bei ihm einzutreten; Brosi aber lehnte es ab, er wollte bei seinem Handwerke bleiben, zumal er dieses Jahr, wie er sagte, »zweispännig ausfuhr«, denn er nahm nun auch seinen Franz mit in die Fremde. Brosi wäre gern daheim geblieben und sah sich deshalb nach Beschäftigung bei einem nahe gelegenen Brückenbau um, aber schon jetzt zeigte sich, daß er ein Württemberger war, die badischen Arbeiter erhielten den Vorzug und Brosi wanderte wieder in's Elsaß.
    In dem Jahre als Kilian Soldat werden mußte und der Gäßleshandel sich entschied, gab Brosi das Nachtwächteramt auf, er hatte es durch zwanzig Winter versehen und sagte, auch im Gefühle seines Besitztums, daß es genug sei, wenn er fortan am Tage tüchtig arbeite. Es war aber, ohne daß er sich's gestand, auch Aerger über die Gäßlesgeschichte dabei; das Dorf, das ihm das angethan hatte, war eines solchen treuen und hellen Wächters nicht werth. Dennoch erwachte er noch wochenlang zu jeder Stunde und manchmal sang er leise vor sich hin.
    Der kleine Severin machte viel Aergerniß und bekam viel Schläge, er war das einzige Kind, das es nicht lassen wollte, auf dem Gäßchen hin und her zu gehen. Es gehörte in der That eine Selbstüberwindung dazu, das Gäßchen zu vermeiden, man mußte nicht nur immer einen Umweg machen; wenn man aus der Thüre tritt, führt das Gäßchen gerade links an dem Hause vorbei und es ist eine seltsame Eigenheit, daß man beim Austritt aus einem Hause ohne zu wissen wohin links wendet, wie man beim Ankleiden den linken Stiefel zuerst anzieht. Brosi selber mußte sich noch oft hemmen, daß er nicht unwillkürlich den verbotenen Weg ging. Der Severin war das einzige Kind, das von dem Vater viel Schläge und wenig gute Worte erhielt und gerade der Severin war, wie sich schon früh zeigte, das ehrgeizigste seiner Kinder und hätte sich eher todtschlagen lassen, als daß er um Erbarmen schrie oder um Verzeihung bat. Wenn der neue Lehrer, der ein tüchtiger Mann war, den Severin lobte, zuckte Brosi die Achseln und sagte: »Es ist eben ein knützer 1 Bub. Wenn ihm meine Frau einmal ein Käsbrod gibt, frißt er den Käs oben 'runter und erst wenn ich ihm mit Schlägen droh', bitzelt er am Brod, und ich sollt' ihm Hosen von Eisen machen lassen, er hat eine besondere Kunst seine ledernen zu zerreißen. Das best' an ihm ist, daß er singen kann wie ein Kanarienvogel, aber wenn man's ihn heißt, da thut er's nicht und wenn ich aus der Haut fahr'. Ich will ihn aber schon eingeschirren, wenn ich ihn einmal mit mir nehm' und ihn ferm in meine Finger fass'.«
    Die erwachsenen Söhne und Töchter Brosis gingen nun auch schon zum Tanz, das Rösle, das neben Kilian der Liebling Brosi's war und das er oft »mein schön Mädle« nannte, hatte bereits eine entschiedene Bekanntschaft mit des Jörgtonis Kaspar; aber Brosi und Moni waren noch immer regelmäßig auf dem Kirchweihtanze und so lustig wie je. Und wieder hatte diese Lustigkeit einen andern Charakter. Es war nicht mehr wie in ledigen Tagen, noch wie in der ersten Ehezeit: man war jetzt mitten unter den erwachsenen Kindern und eine gewisse Scheu vor ihnen begrenzte den Uebermuth; aber Brosi und Moni hatten ihre Freude an der Lustbarkeit der Kinder fast noch mehr als an der

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