Schwarzwaelder Dorfgeschichten
ist, waren die Kinder brav; sie blieben es auch.
Die Kinderzucht im Hause war eine musterhafte, das heißt strenge, es wurde wenig an den Kindern erzogen, aber unbedingter Gehorsam war oberstes Gesetz. Brosi rühmte sich deß oft, indem er hinzusetzte: »Es kann eines meiner Kinder auf dem Dach in Lebensgefahr sein, ich pfeif' ihm nur, huit! und bin sicher, daß es feststeht wie eine Mauer und nicht zuckt, bis ich komm' und es herunter hol'. Das hat mein' Moni zuweg bracht. O die, die könnt' General sein.« In der That war diese strenge Zucht das Werk Moni's, denn ihr Mann war ja den größten Theil des Jahres in der Fremde; war er aber daheim, so konnte man gewiß sein, daß nie eines der Eltern dem andern in einer Zurechtweisung der Kinder widersprach oder nur durch eine Miene einen Widerspruch verrieth, wenn es auch mit der Anordnung innerlich nicht übereinstimmte. Der Vater stand vor den Kindern wie ein höheres, fast unnahbares Wesen, eine Patschhand von ihm war eine hohe seltene Gunst, und half er gar im Frühling ein Mühlrad im nahen Bach bauen, so war das eine Seligkeit. Nie sahen oder hörten die Kinder einen Zank zwischen den Eltern; gab es eine Zurechtweisung, so wurde ein Alleinsein abgewartet, und Frohsinn und Heiterkeit herrschten allezeit; nur wollte Moni manchmal der Kinder wegen in der Wahl der Lieder wählerisch sein, aber Brosi duldete das nicht und behauptete stets, er habe diese Lieder schon gekannt ehe er zehn Jahre alt war und sei doch geworden, der er sei. Monika war gescheit und ließ ohne ein Wort zu sagen, die »Gesätzle« weg, die ihr nicht gefielen, und Brosi war's auch recht; er nahm's mit dem Inhalt just nicht so genau, wenn's nur gesungen war und recht lustig, die Worte konnten sich legen, wie sie wollten, und wenn Moni fortfuhr und immer wieder anschlug, konnte er eine Strophe zehnmal singen und immer so vollauf, als wär's das Erstemal. Nie ließ Eines das Andere beim Singen im Stich.
Der kleine Severin zeigte sich schon früh als ein eigensinniger hartköpfiger Bursche und es war oft nahe daran, daß der Ehefriede seinethalb gestört wurde, wenn nicht Moni stets darauf hingewiesen hätte, wie das unschuldige Kind nichts dafür könne, daß sein Vater verstimmt und maßleidig sei. Brosi war dies aber oft in hohem Grade, denn von außen war ihm der Friede und die Ruhe seines Hauses gestört worden. In dem Sommer, als der Severin geboren wurde, hatte der Maurerjochem, dem der Garten an der Fensterseite von Brosi's Hause gehörte, sich auf dem jenseitigen versandeten Ufer ein Haus gebaut und, um einen näheren Weg in's Dorf zu haben ein Stück seines diesseitigen Gartens dazu verwendet; der Fußweg ging hart an den Fenstern Brosi's vorbei. Noch in der ersten Nacht seiner Heimkehr zäunte Brosi diesen Weg zu, aber schon am andern Tage mußte er auf schultheißenamtlichen Befehl den Zaun selbst wieder abtragen; Brosi wetterte und fluchte in seinem Hause so oft Jemand an seinen Fenstern vorüber ging und die Leute machten sich den Spaß und gingen des Weges auch ohne Not. Brosi lief zu Amt und verzettelte viel Zeit und Geld mit diesem Rechtshandel, der mehrmals zu seinen Ungunsten entschieden, immer wieder von ihm aufgenommen wurde, so daß er volle vier Jahre dauerte. Brosi behauptete, daß vier Schuh Platz rings um das Haus ihm gehören, daß er das oft von seiner Schwieger gehört habe und nicht davon ablasse.
Er sprach oft davon, daß wenn er den Prozeß verliere, so wandre er aus nach Endringen, wohin er ohnedieß gehöre und wo er eigentlich am liebsten sei.
Moni war vollkommen mit ihrem Manne einig, daß man dieses Gäßchen nicht dulden dürfe; aber endlich mußten sie sich doch den Entscheid gefallen lassen, daß es blieb, zumal dieser Weg von Pfarrer und Schullehrer als Kirchen- und Schulweg bezeichnet wurde. Mit dem Auswandern nach Endringen schien es nicht recht Ernst gewesen zu sein und wäre dieß nun auch schwierig geworden, da Endringen jetzt Ausland war. Brosi hatte zu dem Schaden noch den Spott, daß er fortan der Gäßles-Brosi hieß; man hatte schon lange nach einem Unnamen für ihn gesucht, jetzt hatte man einen, mit dem man ihn aufziehen konnte. Anfangs that er den Leuten den Gefallen, sich darob zu ärgern, nach und nach aber lachte er dazu, und seine alte Lustigkeit brach aufs Neue hervor. Wer aber seine besondere Gunst haben wollte, durfte nicht durch das Gäßchen gehen und vor Allem seine Kinder durften nie diesen Weg betreten; wie er und seine Monika ihr
Weitere Kostenlose Bücher