Schwarzwaelder Dorfgeschichten
selten vor, daß Jemand von Grund des Herzens und jahrelang sagt: ich bin ein glücklicher Mensch. Brosi sagte dieß und er war es auch; dabei pflegte er hinzuzusetzen: »Ich hab' Gottlob in siebzehn Jahren dem Apotheker nicht mehr bezahlt als einen Batzen, und den – für Rattenpulver.«
Das innere Wohlgefühl Brosi's wurde aber auch zum Wohlwollen für andere Menschen; nie hörte man ihn ein böses Wort über Jemand reden, und wenn man im Auerhahn oder sonst wo über Einen loszog, duldete er das nicht und nahm sich des Beschimpften in jeglicher Weise an. Es konnte nicht fehlen, daß Brosi bei seiner immerwährenden Heiterkeit für einen halben Narren galt; aber die Rechtschaffenheit und Gutmüthigkeit hat doch so viel Bewältigendes, daß er in Ehre und Ansehen stand und besonders das, daß er Niemand Böses nachredete, machte ihn in vielen Dingen zum Rathgeber und Schiedsrichter und Brosi konnte bei mancher glücklichen Auskunft hinzusetzen: »Ja der Brosi. Mein Mann ischt koanr.«
Die Kinder Brosi's wurden mit diesem Eitelkeitsspruche ihres Vaters frühzeitig geneckt und wo sie hinkamen, hieß es oft: »Wie sagt der Brosi? Mein Mann ischt koanr.« Sie klagten das oft der Mutter, aber diese wagte es nicht, gegen eine Grundeigenschaft ihres Mannes und deren Ausdruck anzukämpfen; sie hatte es einmal versucht und jene Trutzwoche hätte sich fast wiederholt, sie beschwichtigte nun die Kinder so gut sie konnte und besonders damit, daß man Jedem was nachspotten müsse und ihr Vater dürfe das auch schon sagen, es gäbe auch keinen solchen Mann mehr auf der Welt wie er sei. Das merkte sich der kleine Kilian und als er wieder damit geneckt wurde, sagte er stolz: »Und es ist erst noch wahr, so wie mein Vater gibt's Keinen mehr.«
Als man Brosi diese Rede seines Erstgeborenen erzählte, hatte er diesen, der ohnedieß sein Liebling war, nochmal so gern; er nahm ihn oft des Sonntags mit in den Auerhahn und am Werktag in die Gipsmühle. Der Kilian war überhaupt ein gescheiter Bub, er hatte einst das einzige Leidwesen Brosi's in der Frage ausgedrückt: »Vater, bist du nur im Winter unser Vater?« Brosi versprach, ihn bei der Entlassung aus der Schule mitzunehmen, dann habe er auch einen Sommervater.
An der Kirchweih tanzte Brosi allzeit regelmäßig mit seiner Moni, und die Kinder, die auf dem Hausflur waren, tanzten dort ebenfalls. Mit des Kappelbauern Lisle (die Wittwe hatte schon lange wieder geheirathet) tanzte der Kilian den Hoppetvogel und den Siebensprung gerade wie der Vater mit der Mutter.
In dem Jahre als die Verbündeten in Paris einzogen, hatte auch Brosi einen Verbündeten. Er nahm seinen Kilian mit auf die Wanderschaft und sagte zu seiner Moni: »Weißt noch, wie ich mir die Zeit herbeigewünscht hab'? Und jetzt ist sie da. Es kommt Alles. Drum lustig so lang es tagt.«
In dem Jahr als Württemberg einen neuen König erhielt, wurde Brosi noch ein Sohn geboren. Der Revierförster, der jetzige Auerhahnwirth, der zu Gevatter stand, gab ihm den Namxen Wilhelm: Brosi aber rief ihn bei seinem zweiten Taufnamen Severin. Er hatte seine besondere Freude an dem kleinen Severin und sagte oft:
»Ich freu' mich nur, daß wir auch wieder ein klein Kind haben, wenn sie nur auch länger so klein und lieb bleiben thäten; wenn sie einmal größer sind, sind's keine Kinder mehr und machen Einem nur noch die halbe Freude.«
Das erste Lebensjahr Severins war das schwerste für die ganze Familie, es war das Hungerjahr Siebzehn. Brosi war vor Allem darauf bedacht, daß die Mutter und das Kind die rechte Nachrung hätten; aber der Unsegen, der damals auf Allem ruhte, daß man ganze Schüsseln aufessen und doch nicht satt sein konnte, schien sich auch auf die Muttermilch zu erstrecken: der kleine Severin schrie immer, mehr als je ein anderes Kind.
Brosi wäre in seinem ganzen Hausstande zurückgekommen, wenn sich nicht jetzt der Gevatter Gipsmüller bewährt hätte; er verkaufte kein Korn an Brosi; er lieh es ihm nur mit der Bedingung, daß er ihm solches im andern Jahre wieder als Korn zurückerstatten müsse.
Wenn Brosi später den Jahrgang 17 seiner Kalender in die Hand nahm, sagte er: da steht gar nichts darin, ich vergeß das Jahr aber doch nie.
Dreizehntes Kapitel.
Je mehr die Kinder heranwachsen, um so mehr hören die Eltern auf, für sich selber ein Leben zu haben und auch zu wollen; das Schicksal der Kinder wird immer mehr das der Eltern.
Nicht nur am ersten Tage von des Vaters Ankunft, wie dies immer
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