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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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eigenen und die Kinder konnten neuaufgekommene Tänze, besonders den Galopp, den die Alten nicht mehr verstanden und hätten sie das auch, sich nicht mehr dazu geeignet fühlten. Brosi war aber Keiner von denen, die über diese Neuerungen schimpften, im Gegentheil, er sagte zu seiner Frau:
    »Die junge Welt hat eben ihre neuen Sprüng'. Wir bleiben bei unseren alten.«
    Es war jedesmal eine feierliche Freude, wenn Brosi und Moni ihre Tänze aufführten; ihre eigenen Kinder betrachteten es als eine Art öffentlicher Kundgebung des Hausfriedens, denn glücklicher als Brosi und Moni lebten keine Eheleute, sie standen noch allezeit zu einander wie Braut und Bräutigam in zuvorkommender Freundlichkeit und heiterm Scherz, und man konnte nicht sagen, ob Brosi seine Moni mehr ehrte und lobte, oder sie ihn.
    Brosi war der erste, der das neue Gesetz mit übertreten half, da vermöge allerhöchster Fürsorge in den Bestimmungen des Decrets der Oberregierung vom 17. bis 22. Juni 1811 der Tanz mit dem Schlage zwölf Uhr enden sollte. Schon die polizeiliche Ueberwachung des Tanzes war Brosi ein Greuel, aber er setzte sich darüber weg, und Haldenbrunn lag auch so weit an der Grenze, daß die Strenge des Gesetzes dort etwas nachließ. Das Verbot aber, daß die Schulkinder dem Tanze zusehen und ihn auf dem Hausflur nachahmen durften, wurde unnachsichtlich aufrecht erhalten.
    Brosi wollte seinen Severin zwingen, mit ihm zum Tanze zu gehen, aber dieser blieb widerspenstig und flüchtete sich zum Lehrer, der dem, wie er glaubte, mißhandelten Knaben besonders zugethan war. Severin konnte überhaupt schon frühe die Spässe seines Vaters nicht leiden und dieser sagte oft: »In dem Buben steckt etwas vom Apothekerrösle, aber ich treib's ihm aus, und wenn er mir unter der Hand bleibt.« Wenn man den Severin mit dem Spruche seines Vaters neckte, schlug er um sich, und die Mutter hatte viel zu vertuschen und wieder schien ihm nichts heilig: keines der Kinder hätte eine der oberen Zwetschgen im Garten angerührt, denn diese ließ die Mutter stets stehen bis sie runzlig wurden, und bewahrte sie für den heimkehrenden Vater; der Severin aber war unversehens auf einem der Bäume und ging oft nicht herunter, bis man mit Steinen nach ihm warf.
    Severin brachte immer am wenigsten mit, wenn er mit anderen Kindern in den Wald geschickt wurde, um Waldbeeren zu sammeln, denn man hörte, daß er meist in den Himmel schauend unter einem Baume lag; und sollte er im Herbste Lichtspäne in's Getreideland tragen, mußte man ihn jedesmal mit Schlägen dazu zwingen; einmal kam er acht Tage lang nicht nach Hause und keine Gewalt der Welt hätte aus ihm herausgebracht, wo er gewesen.
    Die Landesvermessung kam auch nach Haldenbrunn, der Lehrer empfahl den Geometern den Severin, der noch die Schule besuchte, aber schon ein hochaufgeschossener Knabe war. Brosi wollte es nicht gestatten, daß Severin mit den Geometern ging, aber Moni ließ nicht nach, bis er es zugab, und als er das Lob seines Sohnes hörte, der sehr anstellig war, that ihm das wohl, aber freundlicher ward er nicht gegen ihn; er getröstete sich der Zeit, wo er ihn ganz allein in seine Hand bekommen und ihn schon zurecht setzen werde.
    Hatte man vom Severin vielen Kummer, so machten die anderen Kinder um so mehr Freude. Der Kilian war auf Urlaub gekommen und arbeitete wieder fleißig mit dem Vater und dem Franz. Das Rösle war Braut mit des Jörgtoni's Kaspar. Brosi und Moni erfuhren nichts davon, daß diese Brautwerdung der Mutter einen bösen Ruf gemacht hatte. Der Kaspar hatte nämlich eine Zeitlang das Rösle verlassen, und war der reichern Tochter des Kappelbauern nachgegangen, da wurde des Kappelbauern Tochter plötzlich von einem Blutsturz befallen und starb, der Kaspar kam wieder zu dem Rösle und wurde auch wieder angenommen; die Leute aber sagten, die Moni habe das Hexen von ihrer Mutter geerbt und habe des Kappelbauern Tochter verhext. Da Brosi und Moni hievon nichts erfuhren, war ihre Freude an der glücklichen Versorgung der Tochter eine ungetrübte.
    Brosi hatte sich, theils um die Heirath zu ermöglichen, theils aber auch aus Stolz, bei der versprochenen Aussteuer über seine Kräfte angestrengt und arbeitete nun doppelt emsig mit seinen beiden Söhnen, um den Ausfall bald wieder einzubringen. Er hatte für zwei Jahre eine glückliche Arbeit gefunden, nur vier Stunden entfernt wurde eine neue Straße mit mehreren Brücken angelegt und diesmal auf württembergischem Grunde, und

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