Schwarzwaelder Dorfgeschichten
sind die Gaunereien, die in Amerika unter allerlei Masken oder auch ganz offen freies Spiel haben, oft fabelhaft keck und abenteuerlich, mit Verläugnung alles sittlichen Gefühls und rücksichtsloser Ausnutzung des Nebenmenschen und seines hingebenden Vertrauens; freilich bildet dort die Selbsthülfe, auf die Jeder angewiesen ist, sich oft auch zur lieblosen Selbstsucht aus, und wer von seiner eigenen Kraft verlassen ist, ist ganz verlassen. Aber weil eben die Hoffnungen für Amerika zu hoch gespannt, zu träumerisch unklar waren, weil man ein Fabelreich daraus machte, und amerikanisches Wohlleben zu einem Aberglauben geworden war, ist dieser jetzt vielfach in Unglauben umgeschlagen und – »Ich glaub' nicht an Amerika« heißt es jetzt mit der alten Lachenbäuerin, und das hat sein Gutes. Es wird jetzt aufhören, daß Jeder, der mit seiner Hoffnung oder mit seiner Thätigkeit in die Brüche gekommen ist, alsbald das Weite sucht und alles Heil von der neuen Welt erwartet, und von dieser wird sich eine klare und gerechte Anschauung ausbreiten, die nichts vom Aberglauben und nichts von Unglauben hat, sondern die Bedingungen des alten und des neuen Lebens entsprechend würdigt. – – – –
Des Lachenbauern Xaveri ist der Enkel jener Alten, die den Spruch that: »Ich glaub' nicht an Amerika,« aber der Xaveri mußte daran glauben, und zwar auf seltsame Weise.
Das war ein unbändiges Gelächter am Rottweiler Markt, vor dem Wirthshause zur Armbrust! Auf einem sattellosen Apfelschimmel saß ein halbwüchsiger Bursche, breitschultrig, mit einem wahren Stiernacken, darauf ein Kopf von gewaltigem Umfange ruhte, die braunen Haare, die geringelt von selbst emporstanden, machten den Kopf noch umfangreicher, und eben war man daran, diesem Haupt die entsprechende Bedeckung zu verschaffen. Der Reiter hielt mitten im Marktgewühl vor einer Bude, und ein Hut nach dem andern wurde ihm heraufgereicht, aber er gab sie alle wieder zurück. Ein älterer Bauer faßte das Pferd am Zügel und führte es sammt dem Reiter durch die drängenden Menschen nach einer andern Bude. Der frühere Versuch wurde hier erneuert, ein Hut nach dem andern wanderte auf das gewaltige Haupt des Reiters und wieder hinab, braune, schwarze und graue Hüte von jener neuen Form, die ohne das Verbot der hohen Regierungen die Menschen verschiedener Bildungsstufen wenigstens der Form nach unter Einen Hut gebracht hätte. Man reckte und zerrte die Hüte, man spannte sie über die Form, aber dennoch war keiner passend. Der Bursche hielt den Zügel des Pferdes und die schwarze Zipfelmütze, die er abgethan, krampfhaft in der linken Hand. Eine große Menschenmenge hatte sich bald leise, bald laut spottend um ihn versammelt; da rief Einer laut: »Der Xaveri hat einen viereckigen Kopf.«
»Es ist beim Blitz wahr, für dich findet sich kein Deckel, reit' nur heim, du Malefizbub,« rief der Mann, der früher das Pferd am Zügel nach der andern Bude geführt hatte, und jetzt schrie Alles laut spottend: »Der Viereckig! der Viereckig!«
Der Reiter nahm die lederüberzogene neue Peitsche, die er über die Brust gespannt hatte, und hieb damit nach Dem, der zuerst »der Viereckig« gerufen hatte; aber dieser war rasch entschlüpft, und als der Reiter in langsamem Schritt durch die Menge weiter ritt, rief ihm Alles nach: »Der Viereckig! der Viereckig!« Die dicken Lippen des Reiters schwollen noch mächtiger an, er schärfte sie bisweilen mit den Zähnen und murmelte Unverständliches vor sich hin, und als er das Menschengedränge hinter sich hatte, peitschte er das Pferd, daß es vorn und hinten ausschlug, und jagte im wilden Galopp davon. Manchen, der still mit sich allein oder laut selbander mit seinem Rausche dahinwandelte, und Manchen, der mehr als nüchtern sein unverkauftes Vieh heimtrieb, hatte er in raschem Ritte fast über den Haufen geworfen, aber er hörte kaum das Fluchen und Schelten hinter sich drein, ja schnelle Steinwürfe erreichten ihn nicht, denn das schwerfällige Pferd trug ihn fast mit Windeseile davon. Gedanken aber sind doch noch schneller, und wir können darum den Reiter leicht geleiten und ihn näher kennen lernen.
Es gab keinen keckern, meisterlosern Buben im Dorfe, als des Lachenbauern Xaveri. Der Lachenbauer – er hieß nicht so, weil er viel lachte, das konnte dem finstern und kargen Manne Niemand nachsagen, sondern weil sein Haus neben der Pferdeschwemme, der sogenannten Lache stand, und nicht weit davon war das allgemeine
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