Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
Xaveri war der erste Ledige im Dorfe, der davonzog, und andere Bursche und Mädchen wollten es ihm nachthun; mitten in der Familie that sich eine Selbstsucht auf, von der man bisher keine Ahnung gehabt. Kinder, die man unter Sorgen und Mühen großgezogen und von denen man eine Stütze für's Alter erwartete, dachten jetzt nur an sich, wollten sich selbst eine Zukunft schaffen und die alten Eltern und jungen Geschwister der Stütze und thätigen Kraft beraubt allein lassen. Der Staat duldet es nicht und ahndet es im Betretungsfalle, wenn ein junger Mann sich der Wehrpflicht entziehe, und was ist das Recht des Staates an Dem, der ihn verlassen will? Die Familie hat keine äußere Macht, die den Treulosen zurückhielte, und hätte sie auch eine solche, sie brächte sie nur selten zur Anwendung. In vielen Häusern in Renkingen hörte man lautes Schreien und Lärmen, denn hier wollte ein Sohn und da eine Tochter und dort wollten alle Erwachsenen auswandern; die Eltern klagten, gaben aber meist nach. Denn was opfert die Elternliebe nicht?
    Auf den Xaveri aber war Alles zornig, er hatte diese Sucht im Dorfe aufgebracht und sein Beispiel wurde immer angeführt, er hatte es ja am wenigsten nöthig und zog doch über's Meer. Während aber viele Andere sich bereits entschieden hatten, war gerade Xaveri noch zweifelhaft.
    Es war an einem schönen Sommernachmittag nach der Heuernte, da fuhr Xaveri eine neue Kiste von weißem Tannenholz auf einem Schubkarren langsam das Dorf hinauf; er stand oft still und ließ die Leute fragen, was er da habe, um ihnen zu sagen, daß das seine Auswanderungskiste sei, wobei er erklärte, wie sie gesetzmäßig genau drei Schuh hoch, drei breit und vier lang sei, denn so müssen diese Kisten sein, um gehörig in den Schiffsraum gebracht werden zu können. Auch beim Schlosser, wo er die Reife darum schlagen, zwei Schlimpen anbringen und die vier Ecken mit starkem Eisenblech beschlagen ließ, wußte er es so einzurichten, daß dies die allgemeine Aufmerksamkeit erregte. Seine Mutter weinte, aber er tröstete sie, daß nun einmal nichts zu ändern sei. –
    Er war nun zu seinem ungeordneten und müßigen Leben berechtigt, er zog ja von dannen und durfte sich's wohl noch in der Zeit seines Verweilens in der Heimath bequem machen; er schaffte sich mehrfach neue Kleider an und ging in denselben an Werkeltagen umher. Vor dem Rathhause, wo es alle Leute sehen konnten, wurde die Kiste im Sonnenschein mit blauer Farbe angestrichen. Der grausig Mall ließ sich einen Nebenverdienst als Sackzeichner nicht entgehen, und machte diese Zeichnung mit besonderer Liebe, denn sie entledigte ihn eines von Kindheit auf tückischen Feindes; mit großen Buchstaben schrieb er auf den Deckel und auf die Vorderseite: »Xaver Boger in Neuyork.« Ein großes Rudel Kinder stand immer umher und viel Kopfbrechens und mehrfache Versuche kostete es, hüben und drüben an der Kiste das Waldhorn Xaveri's abzumalen; aber darauf bestand er, und endlich war das große Werk gelungen.
    Xaveri brachte die Kiste zu seiner Mutter, diese aber klagte immer, sie könne nicht schlafen wegen der Kiste, es sei ihr immer, als stünde der Sarg ihres Sohnes bei ihr, und es sei auch ein Sarg, er wäre ja todt für sie, wenn er über das Meer ziehe. Weinend und klagend wiederholte sie oft: »Ach! Meine Mutter hat gesagt, ich glaub' nicht an Amerika; ich, ich muß dran glauben!« Auch Trudpert drang in seinen Bruder, doch zu bleiben, er sei sein einziger Bruder, und sie hätten immer treu zusammengehalten, er solle ihn doch nicht verlassen. Der unbeugsame Xaveri erwiderte: »Was der Viereckig einmal will, das führt er auch aus.« Gegen seine Angehörigen ließ er den Zorn los, daß er diesen Schimpfnamen hatte und sie konnten doch nichts dafür. Doch machte Xaveri einen letzten Versuch und ging zum Pflugwirt, mit ihm den Ueberfahrtsvertrag abzuschließen; er hoffte, wenn auch nur halb, daß dies ihn möglicherweise noch nachgiebig machen werde. Aber der Pflugwirth holte mit Bedauern zwei gedruckte Formulare, darauf die Bruderhand sehr schön zu sehen war, füllte sie aus, unterschrieb selber und ließ auch den Xaveri unterzeichnen, worauf er ihm den Vertrag einhändigte mit dem Beifügen: »Du kannst mir auf den Abend oder morgen das Geld bringen, aber bezahlen mußt; was einmal da geschrieben ist, muß bezahlt werden, und du siehst, ich hab' dir ja den billigsten Preis gestellt.« Xaveri nickte bejahend ohne ein Wort zu reden und steckte den Vertrag zu

Weitere Kostenlose Bücher