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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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sich. Als er auf dem Heimweg vor dem Hause der Zuckerin vorüber kam, ging er hinauf, um sich Tabak zu holen. Er hatte sie seit seiner Rückkehr nicht wieder besucht, er hatte eine gewisse Furcht vor ihr; jetzt, mit diesem Abschiede in der Tasche, konnte er sie ja wieder sehen. Die Zuckerin war überaus freundlich bei seinem Eintritt, sie schalt zwar lächelnd, daß er sie so auffallend vernachlässigt habe, erklärte ihm aber dabei, wie sie ihm seine gute Ermahnung doch nicht vergessen habe, und wie sie jetzt sehe, daß er Recht gehabt habe, denn sie könne sich der Freier gar nicht erwehren; sie besinne sich aber zweimal, bis sie sich entschließe, um Einen in diese volle Haushaltung einzusetzen, in der mehr stecke als man glaube, und die sie sich bei ihrem Alten habe sauer verdienen müssen. Xaveri sah sich mit Wohlgefallen in dem Hause um, und als eben ein Kind kam, um Essig, und bald darauf der grausig Mall, um sein Nasenfutter zu holen, und noch Andere die Stiege heraufkamen, schickte die Zuckerin mit zutraulichem Bedrängen den Xaveri in die Stube, damit er dort warte, bis sie die Käufer abgefertigt hätte. Unwillkürlich folgte ihr Xaveri, und es muthete ihn behaglich an in der Stube. Der große Lehnsessel stand neben dem Ofen, der jetzt im Herbst schon geheizt war, und Aepfelschnitze, die auf dem Simse gedörrt wurden, verbreiteten einen angenehmen Duft. Die rothgestreiften Vorhänge an den Fenstern, die mit Messing eingelegte nußbaumene Kommode, die gepolsterten Sessel, Alles machte einen behaglichen Eindruck. Man hörte nichts als das schnelle Ticken einer doppelgehäusigen Sackuhr, die an der weißen Wand hing, und das Summen der Fliegen, die jetzt das Herbstquartier bezogen hatten und sich an den Aepfelschnitzen gütlich thaten. Alles im Zimmer war, wenn auch etwas ausgedient, doch sauber und an den festen Platz gestellt; da waren keine Kinder, die Unruhe und Unordnung machten. Xaveri nickte mehrmals mit dem Kopfe vor sich hin, als wollte er sagen: »Das ist nicht so uneben.« Xaveri war in einer nie gekannten weichen Stimmung. Der unterschriebene Ueberfahrtsvertrag in der Tasche, nach dem er mehrmals griff, mußte das bewirken. Er fürchtete sich jetzt fast vor der Zuckerin, er hatte sich zu viel zugetraut; die Abfertigung der Käufer im Laden dauerte lange, und immer hörte er wieder neue die Treppe heraufkommen. Mehrmals dachte er daran, sich aus dieser peinlichen Lage fortzumachen und die Rückkehr der Zuckerin nicht abzuwarten. Was sollte ihm das jetzt? Er mußte fort und hatte von der Zuckerin nie was gewollt, dafür war er sich zu viel werth; aber wenn er jetzt fortging, mußte es ja Aufsehen erregen bei den Kunden im Kaufladen. »Aber, was liegt daran, wenn man dir auch etwas nachsagt? Du ziehst ja über's Meer. Es ist aber auch wieder nicht Recht, die Frau in's Geschrei zu bringen; um ihr das nicht anzuthun, mußt du bleiben.« Und so blieb er mit widerstreitenden Gefühlen. Er stopfte sich seine Pfeife, schlug Feuer und setzte sich behaglich schmauchend in den abgegriffenen großen Ledersessel am Ofen. »Das ist kein übel Plätzle,« dachte er und von diesem Gedanken doch wieder erschreckt, stand er plötzlich auf. Eine eigene Gespensterfurcht überkam ihn am hellen Tag in der stillen Stube; auf diesem Stuhle hatten die alte Zuckerin und das Zuckermännlein sich ausgehustet, das war kein Platz für des Lachenbauern Xaveri. Er schaute an den Pfosten gelehnt durch das Fenster, um zu wissen wer wegging; als aber jetzt des Pflugwirths Agathe aus dem Hause trat, sich umwandte und nach dem Fenster schaute, trat er tief zurück in die Stube, setzte sich aber nicht mehr in den abgegriffenen Ledersessel am Ofen. Endlich klang die Klingel an der Ladenthüre wie bellend, die Thüre wurde abgeschlossen, aber es sprang wieder Jemand die Treppe hinab, man hörte an der Hausthür einen Riegel vorschieben und laut athmend kam die Zuckerin in die Stube und sagte: »So, jetzt bin ich nicht mehr daheim. Wer kein Essig und Oel hat, der kann seinen Salat ungegessen lassen. Du glaubst gar nicht, was man geplagt ist, wenn man so Haus und Geschäft allein über sich hat. Der Verdienst ist gut, ich könnte gar nicht klagen, es ist nicht groß, aber regnet's nicht, so tröpfelt's doch. Das ist Recht, daß du dir deine Pfeife angezündet hast. Ich rieche den Tabak gar gern. Mein Alter hat nicht rauchen können. Jetzt sag, ist's richtig, daß du fortgehst?«
    Ohne ein Wort zu erwidern, reichte Xaveri der Zuckerin den

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