Schwarzwaelder Dorfgeschichten
unterschriebenen Ueberfahrtsvertrag, und die Hände zusammenschlagend und klagend rief sie: »Ja der Pflugwirth! Wenn den der Teufel holt, zahle ich ihm den Fuhrlohn. Oder ich sage wie die alte Schmiedin einmal von unserm bösen Schultheiß gesagt hat: ich möchte mit dem in derselben Stunde sterben, denn da haben alle Teufel alle Hände voll zu thun, um die Schelmenseele zu fangen, und da kann derweil jedes Andere mit allen seinen Sünden daneben in den Himmel hineinhuschen.«
»Du bist gescheit und scharf,« sagte Xaveri schmunzelnd und auch die Zuckerin schmunzelte; Beide waren mit einander zufrieden und sahen einander eben nicht böse an. Aber was ist da für eine Einheit, wo sich zwei Menschen in solch einem bösen Gedanken vereinigen? Was wird daraus werden?
Die Zuckerin fuhr indeß geschmeichelt rasch fort: »Den Pflugwirth kennt Keiner, das ist ein Seelenverkäufer, der hat dich zum Narren gehabt, und dich hineingeritten, bis du nicht mehr gewußt hast, wo anders 'naus, und da macht er noch seinen Profit dabei. Wenn ich Gift hätte und wüßte, daß Niemand anders davon essen thät', dem gäb' ich's, der ist nichts Besseres werth. Ach! und ich hab's immer gesagt, du bist so gut, nur zu gut. Es ist unerhört, daß ein Mensch wie du und aus einer solchen Familie auswandern soll. Das lasse ich mir gefallen bei Einem, der nicht mehr weiß, wo aus und ein und der keinen Anhang hat. Mich dauert nur deine gute, rechtschaffene Mutter, der drückt es das Herz ab, und eine bessere Frau giebt es nicht zwischen Himmel und Erde.«
Minder dieser Ruhm und dieses zutrauliche Lob, als der anfängliche Zorn gegen den Pflugwirth, drang Xaveri tief in die Seele; sie sprach es aus, was er selber schon oft gedacht hatte, und um seinetwillen hatte sie diesen Zorn. Nicht nur ein Gegenstand gemeinsamer Verehrung, sondern oft noch weit mehr der eines gemeinsamen Hasses eint die Gemüther, und erst die Folge lehrt, welches Band dauernder sei. Das heftige und ingrimmige Wesen der Zuckerin sprach jetzt Xaveri sehr an, weil es sich gegen den Mann seines Hasses kehrte; er ward zutraulich und freundlich gegen die Wittwe und glaubte es ihr schuldig zu sein, daß er sie lobte und ihr Hauswesen bewunderte, während sie ihn vom Speicher bis zum Stalle umherführte. Mit einer verblüffenden Offenherzigkeit erklärte sie dann zwischen hinein:
»Kannst dir denken, daß es mir an Freiern nicht fehlt, aber ich mag Keinen von Allen; ich will Keinen, der einem in der Hand zerbricht. Ich will dir's nur gestehen, dir darf ich's schon sagen, ich bin ein bißchen hitzig und obenhinaus, aber auch gleich wieder gut, und drum will ich grade einen Mann, der den Meister macht, der ein rechter Mann ist und nicht unterduckt. Für die Frau gehört sich's, daß sie untergeben ist, und das kann ich nur sein gegen Einen, vor dem ich Respect habe, der fest hinsteht.«
Diese, in verschiedenen Wendungen halb lächelnd halb klagend vorgebrachten Selbstanschuldigungen, die doch wieder ruhmreich waren, machten den Xaveri ganz wirbelig; seine Antworten, die er doch manchmal einfügen mußte, bestanden in unverständlichem Murren und Brummen, das eben so sehr Mißmuth wie Wohlgefallen ausdrücken konnte und in der That auch Beides ausdrückte.
Trotz freundlicher Zurede kehrte aber Xaveri doch vom Stalle aus nicht mehr in die Stube zurück. Er verließ plötzlich das Haus und rannte die ersten Schritte schnell wie fliehend davon. Es war Nacht geworden, und auf dem Heimwege gelobte er in sich hinein, daß er sich nie mehr zu solcher Vertraulichkeit mit der Zuckerin verleiten lassen wolle; das war Einmal geschehen und nie wieder. Er war des Lachenbauern Xaveri, der sich nicht an eine abgedankte Wittwe vergeben durfte, die gar nicht einmal wußte, woher sie war. Und grade daß die Zuckerin seinen großen Familienanhang lobte und das Gelüste zeigte, in denselben einzutreten, erweckte wieder das ganze stolze Bewußtsein in ihm. Jetzt zum Erstenmal kam ihm aber auch der Gedanke, daß er drüben in Amerika nicht mehr des Lachenbauern Xaveri sei, da galt sein Familienansehen nichts mehr. Das war nun freilich nicht mehr zu ändern.
Es mußte aber doch etwas Eigentümliches in Xaveri vorgehen, weil er am Abend und den ganzen andern Tag seiner Mutter nichts davon sagte, daß er den Ueberfahrtsvertrag abgeschlossen und am heutigen Tage bezahlt habe. Erst von der Zuckerin vernahm sie das spät am Abend. Sie war gekommen, um ihr frisches Backwerk zu bringen und wußte viel davon
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