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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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zu sagen, wie gern der Xaveri dabliebe, er wisse schon wo er gleich daheim sei; es käme nur darauf an, ihn dahin zu bringen, daß er, ohne sich vor den Leuten dem Spott auszusetzen, wieder umkehre; man müsse darum thun, als ob man ihn zwinge daheimzubleiben, das sei was er wolle, aber nur nicht sagen könne.
    Die Mutter, der die Schwiegertochter zwar nicht recht anstand, war doch glücklich, daß sie ihren Xaveri daheim behalten sollte und lange, ehe dieser zum Schlafen kam, war es unter den beiden Frauen ausgemacht und entschieden, daß er bleiben müsse.
    Xaveri war indeß an diesem Tage vor dem versammelten Gemeinderathe erschienen und hatte seinen Austritt aus der Gemeinde gemeldet. Der Schultheiß rieth ihm, daß er gar nicht nöthig habe, sein Heimathsrecht aufzugeben, er könne sich einfach einen Paß nehmen, und wenn es ihm in Amerika nicht gefalle, wieder zurückkehren oder auch unterwegs andern Sinnes werden. Xaveri lachte höhnisch über diese Zumuthung und drang jetzt gerade um so mehr auf Entlassung aus dem Orts- und Heimathsverbande.
    »Nun denn,« rief zuletzt der Schultheiß, »wenn's sein muß, wollen wir's gleich an's Amt ausfertigen; aber ich rathe dir, besinn dich noch einmal.«
    »Bin schon besonnen, fort geh' ich,« sagte Xaveri trotzig.
    Gelassen erwiderte der Schultheiß nochmals: »Xaveri, ich mein' du verbindest dir den unrechten Finger.«
    »Ich weiß selber, wo mir's fehlt, und ihr seid auch kein Doctor. Behüt's Gott!« schloß Xaveri und ging davon.
    »Es ist wie's im Sprüchwort heißt: wenn's der Geis zu wohl auf dem Platz ist, da scharrt sie,« sagte ein Gemeinderath hinter ihm drein und der Schultheiß setzte hinzu: »Es ist halt der viereckig Hartkopf.« – Er hatte aber doch Unrecht; gerade weil Xaveri innerlich ein Schwanken empfand, that er nach außen um so trotziger und unbeugsamer. Erst am andern Morgen gelang es der Mutter, ihm den Antrag wegen der Zuckerin zu machen, aber Xaveri that auch hier unmuthig und entgegnete: »Wie könnt Ihr mir so einen Antrag machen? Werd' ich so Eine nehmen? So Eine findet man noch, wenn der Markt schon lange vorbei ist.«
    Mehrere Tage war nun ein seltsames Widerspiel von verdeckten Meinungen in der niedern Leibgedingstube: die Mutter lobte die Zuckerin überaus und hatte doch im Innern keine rechte Zuneigung zu ihr und der Xaveri that, als ob er gar nichts davon hören wolle und im Geheimen war es ihm doch lieb, daß man ihn damit bedrängte. Die Mutter erinnerte sich aber wohl, daß ihr die Zuckerin mitgetheilt hatte, der Xaveri wolle gezwungen sein damit er sich vor den Leuten nicht zu schämen brauche, daß er von seinem Auswanderungsentschlusse abstehe. Sie war eben daran, alle möglichen Bitten und Gründe vorzubringen und führte schon die Hand nach den Augen, um die zukünftigen Thränen abzuwischen, als grade der Vetter Schultheiß eintrat. Er überbrachte Xaveri die verlangten Papiere und sagte spöttisch, daß er ihn nun als Fremden im Dorfe begrüße; er sei hier nicht mehr daheim. Die Mutter schrie laut auf und die Thränen stellten sich jetzt in Fülle ein. Xaveri aber ergriff mit zitternden Händen die Papiere und starrte auf die großen rothen Siegel. Der Trudpert, der eben in's Feld fahren wollte, kam auch in die Stube zur Mutter, er sah schnell was hier vorging, und stemmte die geballte Faust still auf die blaue Kiste, die auf der Bank stand. Eine Weile schwiegen alle Vier, die in der Stube versammelt waren, nur die Mutter schluchzte vernehmlich. Als jetzt aber der Schultheiß weggehen wollte, hielt sie ihn zurück und mit mächtiger Beredsamkeit schilderte sie nun, welch ein Glück der Xaveri im Dorfe machen könne, wie er gewiß kein solches über dem Meere finde, und wie er sich dabei noch sagen könne, daß er seine alte Mutter nicht vor der Zeit ins Grab bringe. Als sie endlich den Namen der Zuckerin nannte, schaute Trudpert wie erschrocken um, aber er schwieg. Xaveri starrte zur Erde und der Schultheiß zeigte sich als eifriger Beistand der Mutter und half ihr, wenn auch nicht die Zuckerin, doch das schöne Beibringen, das sie besaß, zu loben. Die Mutter redete sich nun immer mehr in Eifer hinein und was vorhin nur gewaltsame und von außen erregte Wärme war, wurde jetzt zu einer von innen kommenden; denn so eigen geartet ist das Menschenherz, daß es bald nicht mehr weiß und nicht mehr wissen will, was ihm gegeben und was aus ihm gekommen ist. Die Mutter pries sich und die ganze Familie glücklich, die Eines der

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