Schwarzwaelder Dorfgeschichten
aber schon nach wenigen Jahren starb der rüstige Schmalzgraf mit Hinterlassung einer einzigen Tochter. Dieß war das alleinige Enkelchen des Furchenbauern, denn die andern Kinder waren unverheirathet, und wir werden bald sehen warum.
Wir sind am Hofe. Dumpfes Bellen und Kettenrasseln zweier Hofhunde, die in ihrem Bellen sich bald ablösen und bald zusammenstimmen, zeigt an, daß kein Fremder sich unbemerkt hier nahen darf; über das Bellen hinaus tönt aber der Taktschlag von sechs Dreschern und dazwischen vernimmt man das rasche Klappern einer Handmühle, der sogenannten Putzmühle, die statt des ehedem üblichen Wurfelns das Korn säubert. Häuser, Ställe und Scheuern sind im Gevierte gebaut, das Thor steht offen; halten wir aber noch eine Weile inne, bevor wir eintreten. – Auf der Leiter an einem Zwetschgenbaum im Hausgarten steht eine Frauengestalt in üblicher Landestracht, die rothen Strümpfe umschließen ein mächtiges Wadenpaar. Aus dem offenen Hofthore kommt ein schlanker junger Bauer, drei mächtige Strohbündel auf dem Rücken.
»Ameile, fall nicht abe,« ruft der junge Mann.
»Da unten ist auch schwäbisch,« antwortet es in die Zweige hinein und die Strohbündel hüpfen auf und nieder von dem Lachen des jungen Mannes, während die Frauengestalt wieder fragt:
»Was willst denn mit dem Stroh?«
»Der Bauer will, daß man die Breitlingäpfel dort dießmal nicht brechen soll, man hab' kein' Zeit dazu, ich soll sie schütteln und Stroh unterlegen. Steig abe und gieb mir die Leiter.«
»Bist zu steif? Kannst nicht 'naufkrebseln?« spottet das Mädchen, während der Bursche das Stroh ausbreitet und erwidert:
»Du sollst auflesen, ich muß gleich wieder an's Dreschen.« Behende ist er auf den Baum geklettert, der ganze Baum wird hin und hergeschüttelt, es rasselt in den Zweigen und dumpf prasselnd auf das knisternde Stroh und darüber hinaus fallen die rothbackigen Aepfel. Das Mädchen will bald da bald dort anfangen aufzulesen, aber wo es sich zeigt, wird ein Ast mächtiger geschüttelt und manchmal getroffen von einem Apfel grillt es auf und schilt den tückischen Mann auf dem Baume. Dieser steigt ab, schaut das Mädchen kurz an und will nach dem Hofe gehen.
»Du machst unsaubere Arbeit!« sagt das Mädchen lachend und fährt auf den Baum deutend fort: »Schau, dort hängt noch ein Apfel und dort noch einer.«
Im Fortgehen erwidert der Bursche:
»Du vergißst's immer wieder und ich hab' dir's schon oft gesagt: wenn man einem Obstbaum nicht Alles abnimmt, trägt er im nächsten Jahre um so gewisser.«
Ameile (Amalie) hält einen Apfel in der Hand und will den Weggehenden damit werfen, aber noch im Ausholen hält sie an, ein zweiflerischer Gedanke scheint ihr die Hand zu senken, sie steckt den Apfel in die Tasche und auf das Stroh kniend, rafft sie die Aepfel zusammen und singt dazu:
»Schätzele, Engele,
Laß mi e wengele –«
»Schätzele wasele?«
»Nur mit dir basele?«
Der Bursche, der eine Soldatenmütze auf dem Kopfe trägt und überhaupt eine soldatische Haltung verräth, geht wieder nach dem Hofe zurück, nimmt den Dreschflegel zur Hand und fällt taktmäßig in die Schläge ein.
Im Hofe.
Im Hofe, in dessen Mitte der große mit Stangen eingezäunte Düngerhaufen, daran eine Jauchenpumpe sich befindet, ist reiche lebendige Bewegung: da wird Korn auf einen Wagen geladen, dort Stroh und dort Aepfelsäcke getragen, die zahlreichen Hühner und Enten wissen geschickt auszuweichen und überall etwas zu ernaschen. Rechts von dem Eingangsthor unter einem breiten Hollunderbaume, der jetzt schon schwarze Beerenbüschel trägt, steht der Röhrbrunnen, der seinen hellen, armdicken Strahl in den langen Eichentrog ergießt und rings um den Brunnen ist der Boden vortrefflich gepflastert, so daß nicht wie sonst oft gerade hier Alles unsauber ist; der Abfluß des Brunnens hat einen gepflasterten Weg nach dem Baumgarten links am Thor und bildet dort sogar einen kleinen See. Die Kühe und Rinder werden zur Tränke geführt, denn die Ochsen und Pferde sind draußen im Feld beim Pflügen und Eggen. Der Kühbub knallt, daß es im Hofe widerhallt. Eine glänzend schwarze Kalbin, die auch nicht ein anderes Härchen hat und in Schönheit strahlt, tanzt lustig im Hofe hin und her, steht bald still und schaut wie neckisch und verwundert drein und hüpft dann wieder mit gehobenem Schweif auf und ab. Die Drescher, die eben eine neue Spreite auflegen, stehen unter dem Scheunenthor und
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