Schwarzwaelder Dorfgeschichten
eingetreten, als Ameile mit einer kübelartigen Schüssel eintritt und sie auf den mit einem Tuch bedeckten Tisch stellt; ihr folgen noch zwei Mädchen, die das Gleiche bringen. Nachdem man gebetet hat, setzt man sich wortlos an den Tisch. Der Bauer sitzt oben, links von ihm der Einäugige, rechts der schlanke Bursche, den wir heute schon beim Eintritte die Aepfel schütteln gesehen. Taktmäßig wie beim Dreschen langt Eines nach dem Andern mit dem Löffel in die Suppe. Die Mädchen sitzen am untern Ende des Tisches, unter ihnen Ameile, und nur leise sagt Eines dem Andern, ihm mehr Raum zum Sitzen zu geben. Die wahren Seen von Suppe sind bald verschlungen, ein großer Laib Brod geht von Hand zu Hand und Jedes schneidet sich mit seinem Taschenmesser einen Ranken. Niemand spricht ein Wort, außer wenn etwa der Bauer Einen anredet und die Antworten sind stets knapp und gemessen. Nun verlassen die Mädchen den Tisch und kommen rasch wieder mit Bergen von Leberklößen und Felsstücken von geräuchertem Fleisch. Das Sprüchwort sagt nicht umsonst: die können essen wie Drescher. Mit einer Ruhe und Nachhaltigkeit, die sich immer gleich bleibt, werden die Leberklöße vertilgt und erst als das Fleisch zum Vertheilen kommt, schnipfeln Viele nur an ihrem Theile herum, und kaum hat der Mann, der mosten geholfen hat, das Beispiel gegeben und das übrige Fleisch in ein Tuch gewickelt und in die Tasche gesteckt, als ihm auch viele Andere beherzt folgen. Der Bauer sagt nur noch, daß er morgen nicht daheim sei und Vinzenz die Aufsicht führe, ein Jeder schneidet sich noch ein Stück Brod, steckt es zu sich und man steht vom Tische auf. Nach dem Schlußgebete sagt der Bauer zu dem Burschen, der ihm zur Rechten gesessen:
»Dominik, wenn du draußen fertig bist, komm' 'rein, ich hab' dir was zu sagen.«
Nach einem Gutnacht in verschiedenen Tonarten verlassen die Drescher und Taglöhner mit schweren Tritten die Stube und erst draußen vor dem Hause hört man sie unter einander sprechen und lachen. Mehrere machen sich bald davon und zerstreuen sich in die Häuslerwohnungen, die da und dort im Thale stehen und an den Bergen hangen; nur einige, die aus fernen Gegenden sind, gehen in die Scheunen und legen sich in's Heu.
Die Bäuerin, eine alte wohlbeleibte Frau, kommt jetzt auch aus der Küche, bringt sich ihr Essen mit und verzehrt es neben ihrem Mann. Dieser sagt ihr, daß er morgen nach Wellendingen (einem in der Mitte des Bezirks gelegenen Dorfe) fahre, da dort das jährliche landwirthschaftliche Bezirksfest sei und daß Dominik das Schwärzle hinführen müsse; Ameile nehme er zu sich auf das Bernerwägele.
»Du solltest den Vinzenz mitnehmen,« sagt die Frau in etwas schüchternem Tone.
»Wie soll ich ihn denn mitnehmen? Ich kann ihn doch nicht die Kalbin führen lassen? Und er und der Dominik können nicht miteinander vom Hof weg sein. Wenn ich was sag', mußt du dich vorher dreimal besinnen, eh du was drein redest.«
»Ich hab' nur gemeint, weil du doch auch für den Vinzenz ein Mädle aus einem rechtschaffnen Haus finden kannst –.«
»Da brauch' ich ihn grad nicht dazu, das kann ich am besten allein. Zuerst muß Ich die Sach' fertig haben, dann kommt erst er.«
Die Bäuerin schweigt und der Bauer liest die Zeitung, den Wälderboten, den der Milchbub, wenn er Morgens die Milch nach der Stadt führt, mitbringt, den aber der Bauer täglich ruhig warten läßt und die Weltnachrichten, Vergantungen und Fruchtpreise jedesmal erst am Abend wenn alle Arbeit abgethan, liest. Er zwirbelt sich dabei mit der Hand die linke Augbraue und manchmal fährt er sich über die Stirne, denn er liest heute zerstreut. Der Gedanke, daß er keinen ebenbürtigen Nachbar habe und darum für seine Kinder sich auswärts umthun müsse, geht ihm durch den Sinn. In dem Blättchen stand, daß in Klurrenbühl wiederum Liegenschaften versteigert werden. Der Hofbauer von Klurrenbühl war der einzige ebenbürtige Nachbar gewesen, aber er hat schon vor Jahren sein Gut verkauft und ist Papierer geworden. Der Hirzenbauer von Nellingen hat die unverzeihliche That begangen, sein schönes, von alten Zeiten her unzerspaltenes Gut unter seine Kinder zu zertheilen.
Der Furchenbauer schüttelt den Kopf und holt tief Athem, er schaut nachdenklich steif in's Licht, dann steht er plötzlich auf und stellt sich fest hin indem er beide Fäuste ballt; er mag es fühlen, daß er bald der Einzige ist in der Gegend, der einzige mächtige Stamm, während Alles ringsum
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