Schwarzwaelder Dorfgeschichten
bleib' Ich noch ein' Zeitlang Freiherr, Punktum,« schloß der Vater und keiner der Söhne wagte mehr ein Wort zu reden; sie mußten es schon als eine Gnade ansehen, daß der Vater so viel mit ihnen gesprochen hatte.
»Der Professor aus der Volksversammlung hat Recht gehabt,« sagte Alban halb für sich, »es darf keine Grundherren mehr geben, nur noch einen Himmelsherrn.«
Der alte Furchenbauer antwortete nichts hierauf.
So lange schon dieser Boden die nährende Frucht hervorbringt und von Geschlecht zu Geschlecht sättigt, wurde die Sichel gewiß noch nie freudiger gehandhabt als in diesem Jahre, und der erste Garbenwagen, den Dominik vierspännig in den Hof einführte, war bekränzt und ihm nach jauchzten Schnitter und Schnitterinnen. Alban hätte gern den ersten Garbenwagen unter dem Gesang aller Arbeitenden in den Hof geleitet, aber das ging jetzt in der hohen Ernte nicht an. Wenn auch das Wetter ständig schien, durfte man doch keine Minute Zeit verlieren; denn nur was man glücklich unter Dach oder in Feime und Stadel hat, darf man erst recht sein Eigen nennen. Der Vater hätte es nicht geduldet, daß man Zeit damit verlor, einen Kranz zu winden, und darum war es klug von Vreni, daß sie einen fertigen Kranz mitgebracht hatte.
Der alte Furchenbauer sah scheel dazu, aber er sagte nichts, als Alban an einem Nagel des Scheunenthores ein Papier aufhängte, die Garben beim Abladen zählen ließ und die Summe auf das Papier verzeichnete; er wollte dem Alban den unschuldigen Stolz gönnen, die neue Art zu zeigen, die alles Erträgniß buchte. Noch war der eine Wagen nicht abgeladen als schon ein anderer vor der Scheune hielt und so ging es fort bis zum Abend; Mensch und Thier war in rastloser Thätigkeit und vor Allem schien sich die Kraft und Behendigkeit Albans zu vervielfältigen. Er war überall.
Die Sonne war schon hinabgesunken und nur noch leichte rothe Wolkenstreifen standen ruhig über den blauen Waldbergen und kündigten für morgen einen gleichen gesegneten Tag, als man für heute den letzten Garbenwagen einführte, und hinter ihm sangen Schnitter und Schnitterinnen helle Lieder und die Lerchen über den Feldern erhoben sich nochmals zum letzten Abendsang. Alban ging unter den Taglöhnern und sang mit, seine Stimme tönte rein und hell; er hatte auf der Ackerbauschule nach Noten singen gelernt, war aber den Weisen seiner Heimath in nichts fremd geworden, er stimmte mit doppelter Lust ein in den Gesang, der von Natur sich vierstimmig setzte. Seine Stimme und die Vreni's begannen stets.
Jeder der Vreni sah mußte gestehen, daß sie eine frische und anmuthende Erscheinung war, wenn Mancher auch die Zartheit ihrer Gesichtsfarbe auf Rechnung ihres braunen röthlich glänzenden Haares schrieb, das ihr wie allen Kindern des Nagelschmieds die Bezeichnung der Goldfuchsen gegeben. Niemand aber ersah Vreni so schön als Alban. Wenn er seinen Blick auf sie richtete, erglühte ihre Stirne, sie senkte das Auge in Demuth, aber aus ihrem ganzen Angesicht leuchtete es wie eine Strahlenglorie. Jetzt beim Singen hielt sie zum Erstenmal seinen Blick unverwandt mit offenem Auge aus, aber Alban wendete sich plötzlich von ihr ab und ward still. Sein Blick war fest auf den Garbenwagen geheftet: der brachte das erste Brod des wahrhaft freien Mannes und das Auge Albans leuchtete hell, denn er dachte der Männer, die dort in der alten Reichsstadt die Ernte einthun, rathen und helfen, daß Freiheit und Wohlstand allüberall sei. Noch einmal jauchzte er hellauf als man in den Hof einfuhr.
Nach dem Abendessen ging es erst recht lustig her, denn es kam ein Mann, der mit dem Athem seines Mundes Alles tanzen und springen machte. Auf dem Hellberge in der ehemaligen Nagelschmiede wohnte das alte Müllerle, genannt »die Obedfüchti« (Abendfeuchtigkeit) weil es in der Regel in der Dämmerungsstunde vor den Bauernhäusern erschien und die Klarinette blies. Die Obedfüchti arbeitete nicht und sorgte nicht und war doch allzeit lustig und wohlauf. Vor Zeiten war das Müllerle ein Kamerad des Geigerlex gewesen und war auch ein Nachkomme jenes närrischen Musikanten, der am Felsen beim Hellberge sein Leben vergeigte und wovon der Fels noch immer den Namen: des Geigerle's Lotterbett hat.
Auf dem Furchenhofe war die Obedfüchti bei Alt und Jung beliebt und ging nie leer aus.
»Die Obedfüchti! die Obedfüchti!« schrie Alles, als man jetzt Klarinettenton vom Hofe hörte und trotz der Ermüdung von der Arbeit wurde noch in der Tenne
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