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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Bruder?«
    Jetzt drängte es Alban nicht mehr zum Reden, in ihm sprach es immer: »Kain, wo ist dein Bruder?«
    Alban war ein Gemüth, das dem empfangenen Eindruck sich widerstandlos hingab und kein Hinderniß und keinen Einwand anerkennen mochte, wo es die heilige Pflicht galt, dem Rechten zu gehorsamen. In den feurigen Worten, die er heute vernommen, erwachte es plötzlich in ihm, in welch schmählicher Verwahrlosung die ganze Welt steht, wie Bruder den Bruder vergißt, sich gütlich thut im eigenen Wohlstand und den Nebenmenschen verkommen läßt. Wäre jetzt wie zu jenem reichen Jüngling in der Schrift, ein Heiland zu ihm getreten und hätte ihm geboten: gieb hin Alles was du dein nennst – er wäre ihm mit Freude gefolgt. Der Pächter des Sabelsbergischen Gutes in Reichenbach hat nachmals oft erzählt, wie leuchtend das Antlitz Albans war, als er eine Strecke mit ihm von der Volksversammlung heimging und plötzlich stehen blieb und die Worte ausrief: »Es geht doch nicht anders, man muß Alles hergeben.« Er wurde still und traurig bei den Einreden, aber noch am andern Morgen sagt er glühenden Antlitzes dem Vater: »Vater, das ist fest und heilig bei mir, wenn ich das Gut übernehm', zahl' ich meinen Geschwistern heraus, was das Gut wirklich werth ist; es ist bis jetzt viel zu gering angeschlagen.«
    »Wart's ab, du kannst dich wieder anders besinnen,« sagte der Vater, worauf Alban aufflammend entgegnete: »Ich werd' nie ungerechtes Gut haben.«
    Alban war erst spät heimgekommen, er behauptete so lange in Wellendingen gewesen zu sein, er hatte sich aber auf dem Hellberg bei des Nagelschmieds Vreni aufgehalten.
     
Von kleinen Leuten und schweren Gedanken.
     
    Des Menschen Herz ist, wie es heißt, trotzig und verzagt und unerforschlich in seinen Widersprüchen. Weil Alban vor aller Welt der unsichtbaren väterlichen Gewalt sich gebeugt hatte, sprach er sich wiederum davon frei in Dingen, die nur ihn allein angingen, und gleichsam als Lohn seiner Unterwürfigkeit streifte er dieselbe ab, folgte dem Drange seines Herzens und die Erregung, die noch in seinem Gemüthe nachzitterte, ergoß sich in feuriger Liebe zu Vreni auf dem Hellberg. Dort unter freiem Himmel hatten es heute Tausende gehört und im Innern nachgesprochen, daß Arm und Reich, Hoch und Nieder gleich sei, Alban machte es zu einer Wahrheit. Dennoch war noch Tage und Wochen lang genug Bauernstolz und Furcht vor dem Vater in ihm, daß er oft innerlich zitternd einherging, er zitterte vor dem, was mit ihm geschehen war. Wenn Vreni auf dem Hof als Taglöhnerin arbeitete, scherzte er nicht mehr mit ihr; er befolgte in dieser Weise das Verbot des Vaters, aber aus ganz anderen Gründen. Seine innere Liebe und das demüthige und doch so hohe Wesen Vreni's ließen ihm jeden Scherz als eine Entwürdigung und Rohheit erscheinen, zumal da das Mädchen in seiner untergeordneten Stellung sich dagegen nicht hätte auflehnen dürfen und nur dem Spotte der Genossinnen ausgesetzt war. Der kecke allzeit wohlgemuthe und singende Alban hatte jetzt oft etwas Scheues und träumerisch in sich Versunkenes; er, der sonst allezeit wie gerüstet und schlagfertig war, schrack jetzt oft plötzlich zusammen, wenn man ihn unversehens anrief. Um diese Schwermuth loszuwerden, ging jetzt Alban mehr denn je den Lustbarkeiten nach, der Vater gab ihm nicht unerkleckliches Handgeld dazu, denn er sah dadurch allmälig die Herrschaft wieder in seine Hände zurückkehren. Alban bedurfte dieses Handgeldes nicht, denn er war reichlich damit versehen, er hatte sich nicht dazu bringen können, gleich anderen Bauernsöhnen karger Väter Korn zu stehlen und zu verkaufen; seit Jahren lieh ihm Dominik seinen vollen Lohn, und obgleich er es wegen seiner Tauglichkeit vollkommen verdiente, war dies doch ein nicht ungewichtiger Grund, daß Dominik zum Oberknecht befördert und der vertraute Genosse Albans wurde. Alban hatte oftmals das aufrichtige Verlangen, sich Vreni aus dem Kopfe zu schlagen, ja er sah sich forschend unter den reichen Töchtern der Gegend um, denn er erkannte die Nothwendigkeit, den Hof von seinen Geschwistern abzulösen und war dabei fest entschlossen, ihn nur zum vollen Werth zu übernehmen. Es durfte nur eine Verirrung sein, daß er je im Ernst an des Nagelschmieds Tochter gedacht. So gewichtige Gründe er aber auch in sich zu befestigen trachtete, und so sehr er sich auch eifrig unter den ebenbürtigen Töchtern des Landes umschaute, er konnte sich trotz mancher

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