Schwarzwaelder Dorfgeschichten
getanzt.
Alban war auch hier der unermüdlichste, aber obgleich seine hübschen Basen, die beiden Töchter des Gipsmüllers, auch dazu gekommen waren, tanzte er doch fast ausschließlich mit der Vreni, der Tochter des Nagelschmieds. Vinzenz hinterbrachte dem Vater, daß Alban im Jubel der Vreni zugerufen habe, sie müsse Bäuerin auf dem Furchenhof werden. Der Vater hatte schon lange bemerkt, daß Alban mit der Vreni Etwas habe, er hatte nichts dagegen, daß sein Sohn mit dem, wie er selbst gestehen mußte, »bildsaubern Mädle« seine Lustbarkeit trieb, das darf ein reicher Bauernsohn; aber was soll ein solches Geschwätz?
Bevor Alban schlafen ging, rief ihn der Vater zu sich und sagte ihm:
»Ich will dir ein für allemal zu wissen thun: mach' mir mit der Vreni keinen so Spaß mehr.«
»Was hab' ich denn than?«
»Du hast ihr gesagt, sie muß Bäuerin auf dem Furchenhof werden. Das geht über den Spaß. Oder willst's leugnen?«
»Nein, es kann sein, daß ich's gesagt hab'.«
»Du hast's gesagt. Punktum. Und so ein Spaß darf nicht mehr vorkommen.«
»Nein,« schloß Alban und ging tiefathmend die Treppe hinauf. Hatte er bei der ersten Probe seine Liebe verleugnet? Bei aller innigen Hingebung, bei aller leicht beschwingten Freudigkeit lastete doch ein geheimer Druck auf dem Herzen Albans, der sein scheinbar so entschlossenes und festes Wesen in stillen Stunden zaghaft und zweiflerisch machte. Nicht sowohl das Hauswesen als die ganze starre Art des Vaters war ihm bei der Heimkehr fremd und unerträglich. Der Lehrer in der Ackerbauschule hatte ihm beim Abschied an's Herz gelegt und die Mutter fast mit denselben Worten das Gleiche wiederholt, er möge in Liebe und Demuth die altgewohnte Weise des Vaters aufnehmen und ihm dankbar und erkenntlich sein, auch wo ihm seine Art widerstrebe. Wäre Alban in ruhigen Zeiten wieder in das elterliche Haus eingetreten, vielleicht wäre ihm das leichter gelungen, aber auch jetzt wollte er vor Allem ein gehorsamer und ehrerbietiger Sohn sein. Er sagte sich nun, daß die Vreni alles für Scherz nehmen müsse und es war ja auch nicht mehr, und der Vater hatte Recht: solch ein Verhältniß taugte nicht für ihn, er mußte einst eine Frau haben, von deren Vermögen er bei Uebernahme des Hofes die Geschwister auszahlen konnte. Dennoch war Alban am andern Tage unlustig zur Arbeit und erbat sich vom Vater die Erlaubniß, nach Wellendingen zu einer Volksversammlung zu gehen, auf der eines Bauern Sohn, der Lorenz von Röthhausen, genannt Lenz die rothe Weste, oder auch die gestreckte Sense, durch seine kernigen und schlagfertigen Worte Alles entzündete.
Widerwillige und ungläubige Hörer würde man heut zu Tage finden, wenn man die Reden und Schicksale dieses Bauernjünglings erzählen wollte; der Hauch der Zeit hatte ihn mit einem Prophetengeist angeweht, wie uns ein Gleiches nur von alten Zeiten berichtet wird und er besiegelte seine Sendung mit dem Märtyrertode. Damals riß er alle Herzen in unwiderstehlicher Gewalt fort. Alban fühlte bei den Reden des Lenz alles Blut in seine Wangen treten und oftmals ergriff es ihn, als würde er von einem Sturm davon getragen, er wollte auch hinauf auf die blumenbekränzte Rednerbühne, er mußte – aber er bezwang sich doch und vor Allem im Gedanken an seinen Vater. Der Lenz mußte in anderen Verhältnissen stehen, der Furchenbauer hätte es seinem Sohne nie verziehen, wenn er es gewagt hätte, vor aller Welt hinzutreten und sich geltend zu machen; er sagte es oft: die Jungen müssen schweigen und zuwarten in Dingen, in denen nur die Alten mitreden dürfen. Mitten im Sturm seiner Gefühle beugte sich Alban der gewohnten väterlichen Gewalt, er schluckte die Worte hinab, die er auf der Zunge hatte.
Es schien fast nicht möglich, daß Alban noch mächtiger ergriffen werden könnte als von der Rede des Lenz von Röthhausen, und doch war es so. Unter allgemeinem Jubel trat nach dem Lenz von Röthhausen ein ehemaliger Offizier mit vornehmem Namen auf und die Worte, die er sprach, glühten von einer höheren Weihe, die Alban fast kirchlich erschien; in der That wiederholte der Redner auch oft die Bibelworte: »Kain! Wo ist dein Bruder Abel?« Er griff die bisherige Erbfolge im Güterbesitz an und zeigte deren gräßliche Verderbniß und Ungerechtigkeit. »Der Schweiß deines Bruders, den du dir zum Knecht machst, der Schweiß deines Bruders schreit wider dich zum Himmel und die Stimme deines Gewissens muß rufen: Kain, wo ist dein
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