Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Etwas zu zerstören, was im Voraus unwahr gewesen und er nur im tollen Uebermuth ausgeheckt hatte. Er mußte dem Spitzgäbele, der ihm ein Abscheu war, alle guten Worte geben und jetzt selber wieder darauf drängen und hoch und heilig betheuern, wie sehr er durch die Abweisung beschimpft und verunehrt sei. Zuletzt mußte er sogar noch bekennen, daß ihm Recht geschehe, daß die Eichbäuerin eine rechtschaffene Frau und Mutter sei, er aber sich hartherzig und unklug benommen habe und alle Schuld, die auch Spitzgäbele hatte, weil er ihn nicht daran erinnerte, nahm er gern auf sich. Er schenkte von dem mitgenommenen Gelde ein Namhaftes dem Spitzgäbele, nur um ihn ganz für sich zu gewinnen.
Lautlos dahinfahrend dachte Alban nur immer an seine Beschimpfung, und wenn auch in seinem jetzigen Zustande nur halb, erkannte er doch in gewisser Weise eine Entweihung, die mit ihm vorgegangen war: er hatte sein ganzes jugendliches Leben hingegeben und war damit zurückgewiesen. Er, der Alban, der jedem Menschen frei in's Gesicht sah, mußte fortan vor manchem Worte den Blick zur Erde schlagen. Es half nichts, daß Spitzgäbele oft wiederholte:
»Ein junger Bursch macht sich aus so was nichts, er setzt den Hut auf die linke Seite und freit um eine Andere, Schönere.« Alban wurde seine schmerzlichen Gedanken nicht los.
In Reichenbach stieg Spitzgäbele ab und wanderte über die Berge zu Fuß nach der Stadt. Alban kam unerwartet früh nach Hause und begegnete überall fragenden Blicken.
»Wie ist dir's gangen?« fragte die Mutter noch vor dem Absteigen und Alban erwiderte trotzig:
»Wie unserm Fuchsen auf dem Wellendinger Markt.«
»Was hast? Was redest?«
»Deutsch. Man verkauft nicht jedes Stückle Vieh, das man zu Markt bringt.«
Er blieb im Stall bei Dominik, bis die Mutter ihn holte, gegen die er kurz den Schwur aussprach, nie mehr eine solche Fahrt zu machen; er habe als gehorsamer Sohn gehandelt und jetzt sei's genug.
Der Vater redete gar nichts mit ihm von der Sache. Er fragte nur, wo der Spitzgäbele abgestiegen sei, denn von diesem wollte er sich den ordnungsmäßigen Bescheid holen; eine mit Betheuerungen und allerlei Zubehör untermischte Auskunft war nicht nach seinem Geschmack. Er blieb beim Ordnungsmäßigen.
Nachrede und Lärm in der Welt.
Ein von der Reise Ankommender ist so zu sagen körperlich und geistig eine Zeitlang ungelenk in der Mitte derer, die in der Gewohnheit des häuslichen Lebens verharrten, und der Angekommene kann noch geraume Zeit eine gewisse Unruhe nicht los werden. Dies war nun heute bei Alban doppelt der Fall. Er kam mitten im Tage und wußte nichts mehr anzufangen; dazu der Aerger über seine Schmach und die Ungewohnheit seiner heutigen Lebensweise. Nachdem er das Schelten der Mutter gehört, weil er nicht über Siebenhöfen gefahren war, ging er fast unwillkürlich nach dem Hellberg zu Vreni.
Er war kaum auf dem Hellberg angekommen und hatte Vreni noch nicht gesehen, die von dem Montagsrechte Gebrauch machend, im Walde war, um Holz zu holen: als Dominik ankam und ihm im Namen des Vaters den Befehl brachte, nach Hause zurückzukehren. Alban willfahrte nur langsam und als er heimkam, that sein Vater als ob er gar nicht da wäre; erst durch die Mutter erfuhr er, daß sie es gewesen, die nach ihm geschickt hatte, weil sie das Zornesmurmeln des Vaters verstanden hatte und ihm zuvorkommen wollte, daß sie aber Dominik verboten hatte, Alban dies zu sagen. Dieser sah in dem ganzen Vorgang nur das Eine, daß die einzigen Menschen, die er sich treu und anhänglich glaubte, die Mutter und Dominik, auch hinterhältig gegen ihn waren und sich vor den Gewaltthätigkeiten des Vaters fürchteten. Er ging im Hofe hin und her als müsse er irgendwo räuberisch einbrechen und den schlummernden Streit freiwillig wecken; er blieb aber doch nicht lang in dieser Stimmung, und sei es im Angedenken an die heute erlebte Schmach, sei es aus Verlangen, doch vielleicht noch Alles gütlich auszugleichen, oder aus altgewohnter Arbeitslust – im Hof stand ein leerer Wagen, auf dem Kornspeicher hörte man schaufeln; Alban erinnerte sich, daß morgen ein außergewöhnlicher Kornmarkt in der Stadt sei, er ging auch auf den Speicher und sah den Vinzenz mit Beihülfe zweier Knechte große Säcke füllen. Der Vater stand daneben und ohne nach Alban umzuschauen, spöttelte er, daß man dieses Jahr sein gutes Korn nicht für halben Preis an die Taglöhner als Vorschuß verschleudere, jetzt brauche man dem
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