Schwarzwaelder Dorfgeschichten
selbst das wohlbekannte Thier erschien ihm jetzt so schön wie noch nie. Wie prächtig schwarz war die Farbe, die durch einen kaum merklich lichteren Streif auf dem Rücken noch gehoben war; nur wenig überbaut, wie war es so fest und doch fein, der Kopf mit den weißen Hörnern, dem weißen Maul und den hellen Haarbüscheln in den Ohren – wie verständig sah das Thier aus.
Es mag wohl von dem ehemaligen Hirtenleben des Dominik herkommen, daß er nie ein rechtes Auge für die Schönheiten des Pferdes hatte, um so mehr aber für die des Rindviehs, und er erquickte sich wahrhaft daran.
»Du verdienst auch den Preis,« sagte Dominik fast laut, dem Thier auf den Bug klatschend »friß jetzt nicht, du kriegst was Besseres, ich vergeß dich nicht wenn ich was zu mir nehm'.«
Das Schwärzle schien aber eine Vertröstung auf die Zukunft nicht zu verstehen, es bog den Kopf noch mehrmals nach dem Gras am Wege und Dominik mußte es kurz halten.
Auf den Wiesen wurde es nun lebhaft. Die Kühe, die den ganzen Sommer im Stall gehalten wurden, sprangen jetzt auf der Weide lustig klingend hin und her und die Hütenden rannten hin und wieder, knallten und jodelten und sangen bei dem Feuer, in dem sie ihre Kartoffeln brieten. Dominik gedachte, wie auch er einst ein armer Hirtenbub war und jetzt hatte er's doch so weit gebracht. Dieses stete Untersichschauen, dieses beständige Erwägen was er einst gewesen und wie weit er's gebracht, machte ihn weniger kühn und muthig und mehr bescheiden und demüthig als eigentlich seine Natur mit sich brachte. Jetzt sang ein Hirtenbub dasselbe Lied, das Ameile gestern ihm nachgesungen und das Antlitz des Dominik erleuchtete plötzlich in Freude.
Nun wußte er's: nicht der Ehrenpreis war es, der ihn so innerlichst fröhlich machte, das Lied lag ihm im Sinn und weiterschreitend sang er:
»Schätzele, Engele
Laß mi e wengele –
Schätzele, wasele?
Nur mit dir basele.«
Das Lied verließ ihn auf dem ganzen Weg nicht mehr und hob seine Schritte und lachte ihn aus mit all seinem Denken und gab ihm auf Alles Antwort.
Ich bin neun Jahre älter als das Ameile – das ist ja kein Fehler, das ist ja grad recht ... Das Ameile ist ein anvertrautes Gut von meinem Herrn, ich darf nicht falsch damit gegen ihn sein – er muß dir noch Dank sagen, daß du ihm so einen rechten Tochtermann giebst. Was fehlt dir denn zu einem rechten Bauer als Geld und Gut? Und das hat sie ... Ich mag mich nicht so hoch versteigen, ich plumps sonst so arg 'runter – das ist Feigheit von dir und du wirst's bereuen, wenn's zu spät ist. – Es war merkwürdig, wie sich in Dominik Alles Red' und Antwort gab, als wären zwei Seelen in ihm, und das war wohl auch, denn er trug Ameile im Herzen. Schon vor elf Jahren, als der Hirzenbauer von Nellingen, der Klein-Rotteck genannt, dem Dominik den Dienst auf dem Furchenhof verschaffte, schon damals gewann der hochaufgeschossene Bub das kleine Kind besonders lieb. Ameile stand am ersten Abend am Brunnen und schaute Dominik zu, der sich die Hände wusch; das Kind aß von einem großen Apfel, den es mit beiden Händen hielt, es mochte den zutraulichen Blick des Dominik, der nach ihm umschaute, wohl anders deuten, denn es trat auf ihn zu, streckte ihm den Apfel entgegen und sagte: »Beiß auch ab.« Dominik war selber noch kindisch genug, um mit diesem Anerbieten so weit Ernst zu machen, daß das Kind eine Weile verblüfft auf seinen so sehr verminderten Apfel sah, dann aber doch wieder Dominik anlachte. Von jenem Abend an hatte Dominik eine besondere Liebe zu dem Kinde und suchte ihm auf jede Weise Freude zu machen. Im Winter trug er es oft den größten Theil des Weges auf seinen Armen nach der eine Stunde weit entfernten Schule, und wenn Schneebahn war, führte er es auf einem Handschlitten. Als Dominik Soldat werden mußte und nach halbjährigem Verweilen in der Garnison wieder in seinen alten Dienst zurückkehrte, gewahrte er plötzlich, daß das Kind eine Jungfrau zu werden begann. Der Abstand ihrer Lebensverhältnisse wurde ihm immer klarer und selbst in die Herzen voll Einfalt finden oft verschlungene, sich selbst verhüllende Gedanken ihren Weg. Dominik war jung genug, daß ihm die unverkennbare Liebe Ameile's die tiefste Seele erquickte; er lächelte oft still vor sich hin, aber wenn er Ameile begegnete, ihr etwas zu bringen oder zu sagen hatte, machte er immer ein finsteres, ja fast zorniges Gesicht und war wortkarg, er bangte vor dieser Liebe, die ihm nur Unglück
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