Schwarzwaelder Dorfgeschichten
großen Hof doch noch ganz anders ausgenutzt werden könnte, wenn es in fleißige Hand gegeben wäre, die nur das allein hätte. Immer kam Dominik wieder auf die Ueberlegung zurück, wie es einem noch so Fleißigen hier zu Lande nicht möglich sei, Etwas vor sich zu bringen. Drüben im Gäu, wo es wenig geschlossene Güter giebt, die auf ewige Zeiten in Einer Hand bleiben, da ist es einem sparsamen Knecht, der von Haus aus Nichts hat, doch möglich, mit der Zeit ein gut Stück Feld zu erwerben, er heirathet noch Etwas dazu und wenn die Gemeinde sieht, daß das junge Paar fleißig und sparsam, läßt sie ihm bei einem schicklichen Kauf die Vorhand und nach und nach zahlt man jedes Jahr ein Ziel ab und hat mit der Zeit ein schönes Bauerngütle und die Aecker sind alle das Doppelte werth. Hier zu Land aber ist Grund und Boden in fester Hand und es bleibt Nichts, als Häusler werden und wie der Spatz auf dem Dach leben. Das aber wollte Dominik nicht, lieber ledig sterben; er hatte im elterlichen Hause zu bitter erfahren, welch ein elendes Leben das ist.
An einer starken Lichtung, die jetzt am Wege war, erkannte Dominik den Grenzstein vom Gute seines Herrn. Wer wird doch noch Recht behalten? Alban oder der Vater? Wer weiß, es kann noch bös werden, zwei harte Mühlsteine mahlen nicht gut, sagt das Sprüchwort. Es raschelte Etwas im Walde, das allgemein bewaffnete Jahr muß doch noch nicht alles Wild weggepirscht haben, das Schwärzle brummte leise und drängte sich näher an Dominik. Gen Morgen zeigte sich allmälig ein lichteres Grau, die Nebel senkten sich, das Schwärzle begrüßte durch lautes Schreien den jungen Tag. Ein Rabe hockt noch verschlafen auf einem Baumast, er hat den Kopf unter den Flügeln, jetzt erwacht er, schüttelt sträubend sein Gefieder, öffnet den Schnabel wie gähnend und fliegt krächzend waldaus. Ein enges grünes Thal thut sich auf, über den Waldbergen jagen die Nebel in zerrissenen Wolken dahin, die Elstern schnattern und fliegen von Baum zu Baum, auf einem blätterlosen Kirschbaum klagt der Fink regenverkündend: es gießt! es gießt! und hoch oben schwebt ein Raubvogel, es ist die Hühnerweihe, sie stößt ihr jauchzendes Geschrei aus: Gujah! Gujah! Hähne krähen, Hühner gackern, der Taktschlag der Drescher tönt herauf, das ist das arme, von Waldarbeitern bewohnte Dorf Klurrenbühl, aber man sieht nichts davon, Alles ist in Nebel gehüllt, die Wälder tauchen daraus auf, eine heisere Morgenglocke ertönt wie weit verloren, jetzt erscheinen die Häuser des Dorfes bis zur Dachfirste, hell und darüber die Nebelwolken, von den Bäumen am Weg tropft es leise, die breiten Blätter des Kohls tragen schwere Tropfen, die manchmal in der Mitte des Blattes wie von einander angezogen zusammenrinnen und je näher sie sich kommen, immer hastiger. Da und dort fällt ein einzelner Apfel schwer vom Baume. Dominik hatte für Alles Aug und Ohr, denn er wünschte sich doch einen hellen Tag, heute da er und das Schwärzle gekrönt würden. Als er jetzt am ersten Haus unter dem Geläute der Glocke, die so armselig und wie bescheiden bittend ertönte, den Hut abzog, mischte sich in sein Gebet der Dank, daß er nicht dazu bestimmt sei, in einer Einöde wie dieses Dorf war, sieben Stunden hinterm Elend wie man sagt, sein Leben zu verbringen; er war auf dem Furchenhof an Besseres gewöhnt. Lieber lebenslang auf dem Furchenhof als Bürger in so einem armseligen Nebensausorte, dachte Dominik. Auf einem »abscheinigen« Hauswesen bauern, wo Einen die Schulden morgen wie der Wind wegblasen können – da ist Knecht sein besser; und doch: ein eigen Leben geht wieder über Alles.
Im Dorfe zeigte sich schon frühes Leben, dort ging einer mit der Peitsche knallend, gleichsam sich und die Thiere erweckend, nach der Stallthüre, dort öffnete sich eine Stallthüre von innen und die Kühe schreien – der hat seinen Thieren schlecht über Nacht aufgesteckt; ein Mann, der in dürftigem Kleide über die Straße ging, schaute den Dominik verwundert an und vergaß seinem freundlichen Gruße zu danken. Wer weiß, mit welchen bösen oder traurigen Gedanken Der seinen Tag anfängt. Auf einen Ehrenpreis hofft der wenigstens heute nicht. Diese Aussicht, die gestern den Dominik noch grimmig gemacht, ward ihm jetzt im frischen Morgen zu einer lichten Freude; er fühlte sich so lustig wie seit lange nicht und etwas Anderes konnte es doch nicht sein. Mit frischer Kraft wanderte er, das Schwärzle am Seile führend, dahin, und
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