Schwarzwaelder Dorfgeschichten
und welchem verschlossenen Trotze hatte das Mädchen jene Worte gesprochen. Wie ist das sonst so offenbar Scheue in diesem Wesen mit solcher schroffen Widersetzlichkeit vereinbar? Ist aber das Scheue nicht gerade eine verhüllende Form der Wildheit und Unzähmbarkeit?
Als die Oberamtmännin Ameile zu Tisch führte, war diese voll Lustigkeit und äußerst gesprächsam; sie bat die Frau Oberamtmännin auch einmal auf den Furchenhof zu kommen, damit sie ihr die Ehre auch in etwas vergelten könne. Die Oberamtmännin sagte zu, indem sie beifügte, man habe ihr von einer schönen Felsenparthie in der Nähe des Furchenhofes gesagt, die des Geigerles Lotterbett heiße und schroff abginge in einen Waldbach. Ameile bestätigte und sagte aber, es sei ein »wüster Weg« dahin und es sei auch nichts zu sehen als Felsen und Bäume; sie berühmte dagegen den Wald am Kugelberg, die schönen Wiesen und den Kuhstall, die dürfen sich sehen lassen.
Die Oberamtmännin war nun äußerst heiter und versprach zum Frühling zu kommen; vorher aber müsse Ameile sie in der Stadt besuchen.
Ameile thaute immer mehr auf und manche kluge Rede kam über ihre runden Lippen; die Oberamtmännin machte heute eine seltsame Erfahrung, denn Ameile sagte ihr einmal zutraulich keck:
»Sie sind so gescheit wie die rechteste Bauernfrau.«
Dieses Lob erschien Anfangs eben so wunderlich als übermüthig, bald aber erkannte die Oberamtmännin, daß Ameile sie nach ihrem Herzen nicht besser loben konnte. Der Bauer ist nichts weniger als bescheiden, er traut den Gebildeten und Studirten fast nur verdrehten Verstand zu, weil er sie oft über Dinge entzückt und über andere mit Abscheu erfüllt sieht, die ihm solche Empfindung gar nicht einflößen. Das höchste Lob was ein Bauer Einem aus dem Herrenstande zu spenden vermag, ist, daß er ihm den Lebensverstand zuerkennt; und am Ende kann Niemand anders als mit eigenem Maße messen, nur der Freigebildete anerkennt bis zu einem gewissen Grade auch solche Dinge und Anschauungen, die ihm nicht genehm sind.
Aus dieser Erfahrung heraus wurde die Oberamtmännin immer herzlicher gegen Ameile und ihr anfänglich eigentlich nur allgemeines Interesse wurde zu einem persönlichen.
Während Ameile am obern Tisch viel lachte, war der Vater von Spitzgäbele und dem Hirzenbauer in die Mitte genommen.
Der Furchenbauer hätte sich gern vom Klein-Rotteck zurückgezogen, denn er war ihm innerlich neidisch, weil er sehen mußte, wie dieser zwei Söhne, wovon einer die Eichbäuerin geheirathet hatte, und einen Tochtermann hier bei Tische hatte, während er allein stand; auch hänselte ihn der Klein-Rotteck wiederholt, indem er sagte: »Es nutzt dich jetzt nichts mehr, daß du ein Aristokrat sein möchtest, du hast einmal als Altliberaler ein' Bläß und das schmiert dir kein' Kanzleitinte zu, und du bist grad so übel angesehen wie ich. Sie haben dich auch nicht zum Geschwornen gewählt wie mich. Drum wär's besser, du thätest gleich mit uns.«
Wir haben schon oft gehört, daß der Hirzenbauer Klein-Rotteck heißt und müssen nun auch erzählen, woher das kam; es entstand einfach, daß er in den dreißiger Jahren bei einer Versammlung in Freiburg öffentlich sprach, worauf ihm der berühmte Rotteck auf die Schulter klopfte und sagte: »Ihr könnt so gut öffentlich sprechen wie wir.«
Der Klein-Rotteck war heute in gereizt übermüthiger Laune und es war nicht abzusehen, wohin das führt. Der Furchenbauer hörte ihm nicht zu, als er giftigen Spott über Uniform, Degen und Schärpe des Oberamtmanns losließ. Jetzt aber horchte er doch auf als er sagte:
»Wenn die Sach' nicht in der Kanzlei angesetzt wär', müßten wenigstens die Dienstboten, die den Ehrenpreis bekommen haben, da mit uns am Tisch sitzen.«
»Und die Kühe und Ochsen auch,« ergänzte Spitzgäbele lachend; der Furchenbauer aber nahm ruhig das Wort und sagte:
»Der Ehrenpreis gehört eigentlich dem Meister, weil er's so lang mit dem Lumpengesindel aushält. Es ist ein wahres Elend, daß man so viel Dienstboten halten muß.«
»Darum zerschlag' dein Gut wie dein Alban will,« schaltete Klein-Rotteck ein; der Furchenbauer hörte nicht darauf, sondern fuhr fort:
»Wenn Eines von meinen Dienstboten was verfehlt hat und ich halt's ihm vor, ruhig und streng, darf es sich nicht entschuldigen, das leid' ich nicht, es muß einfach eingestehen: das und das war nicht recht. Es ist verteufelt, wie stockig sie oft sind und der Dümmste findet noch Ausreden, nur um
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