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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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und zum Staunen der Umwohnenden auch andere Städter beredete. Auf solchen Wanderungen trat sie oft in einsame Bauernhöfe und Häuslerhütten ein; sie hatte das Bedürfniß, auch den Menschen nahe zu kommen, aber es gelang ihr nicht. Bei dem landwirthschaftlichen Fest leistete sie immer gern Beistand, und doch kehrte sie jedesmal unbefriedigt von demselben zurück; sie verkannte die Nothwendigkeit der materiellen Debatten nicht, aber es fehlte doch gar zu sehr an Schönheit und Innigkeit. »Unserer Zeit,« klagte sie einst ihrem Mann, »ist der weltlichreligiöse Geist der öffentlichen Naivetät abhanden gekommen. Wir können uns kaum mehr denken, daß einst die Männer in Griechenland Thyrsusstäbe schwangen und sich das Haupt bekränzten und daß sie in Kanaan Palmenzweige schwangen; wir schämen uns jedes äußern Zeichens der Lust, höchstens wagt man es noch, Kinder zu bekränzen oder stecken Jünglinge einen grünen Zweig auf den Hut.«
    Der Oberamtmann, der in seinem häuslichen Kreise nicht ungern zarte Empfindungen hegte, hatte seine Frau zu überzeugen gesucht, daß die Gebildeten keine Festesattribute für das Volk aufbringen können und die Oberamtmännin hatte trotz ihrer übergreifenden Wünsche innere Kraft genug, das was sich nicht äußerlich und allgemein darstellen ließ, in einer innerlichen Beziehung und bei Einzelnen zu suchen und sich von keiner Herbheit abstoßen zu lassen.
    Die Oberamtmännin stand noch unter dem Einflusse der Nachwirkung, daß sie sich einst öffentlich lächerlich gemacht hatte: sie war eben in dem Gedanken, daß den Vereinigungen der neuen Zeit auf's Neue Schmuck und Zier gegeben werden müsse, mit Blumen und Aehren auf dem Haupte erschienen. Sie erfuhr bald den Fehlgriff, den sie begangen und dessen Folgen nicht so bald schwanden, aber sie war ehrlich und stark genug, nicht aus Empfindlichkeit fortan ihren innersten Bestrebungen untreu zu werden. Heute nun hatte sie gewonnen, wonach sie so lange trachtete: Ameile war ein holdes frisches Naturkind und noch dazu verklärt durch eine fast tragische Liebe. Anfangs wurde Ameile fast erschreckt durch die übermäßige Zuthulichkeit und Freundlichkeit; ein Bauernkind kann es nicht fassen, warum ein Nichtverwandtes und noch dazu ein Höhergestelltes sich ihm vertraulich zuneigen soll. Die Oberamtmännin erkannte das so zu sagen Rehscheue in dieser Natur und sie erzählte nun, daß sie auch einen ledigen Bruder habe, der Landwirth sei. Ameile lächelte bei dieser Mittheilung, es lag etwas Schmeichelhaftes darin, wenn sie das auch innerlich ablehnte; sie sagte aber nur:
    »Er hat gewiß aber auch so feine Händ' wie die Frau Oberamtmännin?«
    Hieran knüpfte sich nun ein immer weiter gehendes vertrauliches Gespräch und die beiden Frauen, so verschieden in Bildungsstufe und Lebensanschauung, wurden immer vertrauter mit einander.
    Man wird es immer finden, daß edelsinnige Frauenherzen, wenn sie durch sich selbst oder durch äußere Bedingungen über gewisse Begrenzungen hinausgehoben sind, sich bei rascher Begegnung leicht aneinander anschließen; die gesellschaftlichen Unterschiede und Schranken sowie die starren Besonderheiten von Beruf und Gesinnung, die den Mann kennzeichnen, fallen bei Frauen oft leichter weg; der Lebenskreis hat trotz aller Verschiedenheit doch wieder im Wesentlichen ein Gleichartiges. Die Oberamtmännin verstand das herauszufinden, und bald erzählte ihr Ameile mit bewegter Stimme das Leben auf dem väterlichen Hof und – da es doch schon in der Welt bekannt war – den Zerfall mit Alban.
    »Ihr solltet euch an meinen Mann wenden,« schloß die Oberamtmännin, »der würde die Sache gütlich in's Reine bringen.«
    »Das geht nicht, Gott behüte, das geht nicht,« entgegnete Ameile.
    »Und warum? Mein Mann ist die beste Seele.«
    »Glaub's wohl, aber das geht nicht, das thät ich nicht leiden, nie. Was für Zwei ist, ist nicht für Drei, hat mein' Mutter im Sprüchwort. Es ist schon arg genug, daß unser Familienstreit draußen in der Welt herumfährt; das wär' gar noch eine unerhörte Schand', wenn man mit einander vor Amt ging'.«
    Dieses starre Festhalten, eine Familiensache nie zum Austrag vor das bestellte Gericht zu bringen, erschien der Oberamtmännin als jene Feindseligkeit, von der sie schon oft gehört hatte, indem man die bestellten Beamten als natürliche Feinde und Widersacher ansieht. Sie seufzte vor sich hin und betrachtete in schweigendem Nachdenken Ameile. Mit welcher Widerspenstigkeit

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