Schwarzwaelder Dorfgeschichten
der Luft stehen. Ich bin dafür: man kann ein Ausmaaß stellen, bis wie weit ein Gut vertheilt werden darf für die Zukunft; man muß aber auch ein Ausmaaß stellen, bis wie weit man Grund und Boden in Einer Hand besitzen darf. Die Adeligen kaufen von den Ablösungsgeldern, die sie von uns bekommen haben, jetzt wieder alle Güter auf. Wie lange wird's dauern, da giebt's wieder nur noch Beständer? (Pächter). Dagegen muß auch Vorkehrung getroffen werden. Wenn diese beiden Punkte hineinkommen, dann unterschreib' ich.«
Der Klein-Rotteck war zweimal unterbrochen worden, denn der Apostelwirth hatte das Ameile aus dem Saale abgeholt und bald darauf die Oberamtmännin; sie waren beide nicht wieder zurückgekehrt. Aus der untern Stube vernahm man jetzt lautes Rufen und Abwehren.
Der Klein-Rotteck setzte sich lächelnd nieder und zerschnitt den Laib Brod in Stücke; den Furchenbauer fröstelte es: er wußte nicht, warum, er schüttete ein groß Glas Wein in Einem Zuge hinab.
Der Domänenrath wollte erwidern, aber man sah deutlich in der Ferne, wie ihm der Oberamtmann abwehrte, er wollte dies selbst übernehmen, und bald begann er in gemäßigtem Tone zuerst den Klein-Rotteck zu loben, daß er frei herausgesprochen habe, dann aber vertheidigte er, oft vom Beifall unterbrochen, mit hinreißender Beredtsamkeit die Bedeutung eines mächtigen Bauernstandes. Zuletzt wendete er sich nochmals gegen den Vorredner und erging sich in scharfem Spotte über »unverzapftes und sauer gewordenes acht und vierziger Gewächs«. Er hielt dem Klein-Rotteck den Widerspruch vor, daß er gegen die Zerstückelung Deutschlands eifere (worauf dieser einwarf: »Bin deßwegen zur Ordnung gerufen, darf nicht erwähnt werden«) und bei Privateigentum in Grund und Boden doch einer solchen das Wort rede. Er suchte darzulegen, daß man diese Frage »die schwierigste der Volkswirthschaft« nicht mit einigen liberalen Redensarten abthun könne. »Das ist eine Sache,« rief er spottend, »die sich nicht mit dem Brodmesser schneiden läßt, da braucht es die feinsten Instrumente der staatlichen Heilkünstler. Der Hirzenbauer wird mir erlauben, daß ich ihn auch Klein-Rotteck heiße und ihm sage, daß sein Pathe der große Rotteck für Untheilbarkeit der Güter sich aussprach.«
Ueberhaupt deckte der Oberamtmann mit schonungsloser Schärfe nicht nur die Widersprüche sondern auch die Lücken auf, die aus der Darlegung des Klein-Rotteck sich ergaben. Er lobte ihn wiederholt wegen seines selbständigen Denkens und seiner unumwundenen Aussprache, zeigte ihm aber, daß ihm die Uebersicht und der Zusammenhang fehle und er traf den Hauptpunkt indem er sagte, daß der Hirzenbauer schlagend und oft unwiderleglich sei, wenn er eine einzelne Bemerkung mache, daß er sich aber auch immer verhaspele, wenn er einen zusammenhängenden Vortrag halten wolle; seine Reden seien eben auch keine geschlossenen Güter. Zuletzt erwies er mit großem Scharfsinn, daß die Freiheit des Eigenthums auf Grund und Boden angewendet nur darin bestehe, daß man in keiner Weise gehindert sein dürfe, sein Grundeigenthum zu bebauen und auszunutzen, wie man den Verstand dazu habe; der Staat aber müsse ein Recht haben; die Zerstörung seines eigenen Bestandes, seines eigenen Bodens, und das sei die Zerstückelung des Grundeigentums, zu verhindern und mit den Worten Justus Mösers schloß er: »Der Boden ist des Staates.«
Der Klein-Rotteck verzichtete auf jede Entgegnung und während der Domänenrath die Petition vorlas, kam der Apostelwirth und rief auch den Furchenbauer ab.
Er wurde nach einer hintern Stube geführt, vor deren Thüre ein Landjäger stand. Als er eintrat, sah er zu seinem Erstaunen Alban zwischen Ameile und der Oberamtmännin. Er wollte wieder umkehren, aber die Oberamtmännin faßte ihn bei der Hand und beschwor ihn hier zu bleiben, wenn nicht ein fürchterliches Unglück geschehen soll.
»Was kann geschehen?« fragte der Furchenbauer trotzig.
»Das ist ein rasender, ein fürchterlicher Mensch!« rief die Frau, »Euer Sohn vergreift sich am Landjäger und kommt in's Zuchthaus, wenn Ihr nicht Friede stiftet.«
»Meinetwegen, er ist nichts Besseres werth, er ist widerspenstig gegen seinen Vater und gegen die ganze Welt,« entgegnete der Furchenbauer kalt.
Die Oberamtmännin ließ die Arme sinken, im Innern that sie ihrem Mann Abbitte, weil sie ihm oft nicht glauben wollte, wie roh die Menschen seien. Der Oberamtmann hatte sich das Sprüchwort angewöhnt: Elf Ochsen und
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