Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Vermuthung, daß der Vater wieder nach seiner bösen Gewohnheit lausche; sie brach ab, sie wollte sich wo möglich nicht in diese Sache mischen, sie konnte Alban ohnedies nicht ernstlich zureden, da es ganz gegen ihre Ansicht war, daß der Erbgang zu Gunsten des Vinzenz geändert wurde; sie hatte keinen Einwand wenn es sich gütlich ausglich, aber im Herzen war sie nicht nur an sich für den herkömmlichen Erbgang, sondern auch noch aus besonderer Liebe für Alban. Als dieser jetzt sagte: »Ich muß jetzt an's Geschäft,« hörte man draußen die Stubenthür in's Schloß fallen.
Noch als Alban weggegangen war, ruhte ein Freudenglanz auf dem Angesichte der Mutter, als ob sie ihn noch vor sich sähe; in Aug und Mund ruhte ein stilles Lächeln, und die Hände faltend mit einem Blick nach oben ging sie an ihre Arbeit.
Auf dem Hofe war Niemand so vollauf glückselig wie die Mutter. In ihrer ruhig thätigen und leidenschaftslosen Natur glaubte sie auch nicht an die Leidenschaftlichkeit Anderer und die Erfahrung hatte sie belehrt, daß all das heftige Gethue nichts als verhetzte Sinnesweise, unnöthig und übertrieben sei; und eben dadurch weil sie nicht an die unbändige Heftigkeit der Menschen glaubte, hatte sie dieselbe oft bewältigt. Wenn ihr Mann oft in Wildheit gegen Kinder und Dienstboten zu rasen begann, konnte sie ihm sagen: »Christoph, das mußt nicht leiden, so darf dich der Hassard nicht übermannen,« und er wurde still und ruhig.
Es ist eine viel zu wenig beachtete Erfahrung, daß die Leidenschaft mitten im ungezähmtesten Ausbruche zu bewältigen ist, wenn es dem Unbefangenen gelingt den Punkt zu berühren, wo der im Sturme Fortgerissene mit sich selbst ob seines Thuns zerfallen ist. Die Furchenbäuerin traf dies bei ihrem Manne meist mit unfehlbarem Takt. Sie wollte aber jetzt nichts thun, denn er war selber zu sich gekommen. Es war gut, daß er nach seiner übeln Gewohnheit gelauscht hatte. Es wird sich Alles auf friedlichem Wege ausgleichen. Warum sollte es denn nicht sein? Ist ja daheim in Siebenhöfen allzeit Jegliches gütlich beigelegt worden, warum denn hier nicht auch?
Es war wieder ein neues rühriges Leben auf dem Furchenhof, Alban arbeitete rastlos vom Morgen bis in die Nacht und pfiff und sang allezeit. Jede Arbeit machte ihm jetzt doppelte Freude, er that sie nicht mehr als Knecht, sondern als freier Sohn des Hauses. Der Vater ließ ihn gewähren und schaute ihn oft mit Zufriedenheit an; er that als ob er es nicht wüßte, wenn Alban noch spät Abends oft zu Vreni auf den Hellberg ging; dieses Verhältniß schien ihm jetzt genehm. Je mehr sich Alban mit Vreni einließ, um so weniger konnte er den Hof beanspruchen; er mußte mit einer erklecklichen Auszahlung zufrieden sein und konnte damit nach Amerika auswandern, wenn er sich hier zu Land nicht in ein Häuslerleben schicken mag.
Auf dem Hellberg ging es allzeit lustig her. In dem Hause, wo man die Kartoffeln zählte, ehe man sie an's Feuer stellte, sah doch Jedes wohlgenährt und munter aus. Das machte die Freude, denn hier war Singen und Tanzen, als wäre beständig Kirchweih. Die Obedfüchti, die den Tag über ganz allein von Gehöft zu Gehöft wandelte und sich allerlei einhamsterte, spielte am Abend die Klarinette und man sang und tanzte oft dazu. Jetzt wurde bereits an fünf Kunkeln gesponnen, die Erwachsenen spannen den feinen Flachs und die Kinder das Werg. Die Großmutter hatte auch nur Werg an der Kunkel, sie that es wieder den Kindern gleich, denn ihre Finger waren krumm und ihr Auge schwach. Die Spindeln drehten sich lustig auf dem Boden.
Zwischen hinein erzählte die Obedfüchti allerlei lustige Streiche aus alten Zeiten, wie er einst eine tüchtige Zeche bei einem Wirthe angetrunken und als er nicht bezahlen konnte eine Ohrfeige erhielt, worauf sie ruhig antwortete: »So gut ist mir's noch nie gangen, hab' kein Geld gehabt und doch noch was heraus bekommen.« Der Wirth lachte darob so sehr, daß er aufs Neue einschenkte. Eine Hauptgeschichte erzählte die Obedfüchti aber stets unter neuem Lachen. Er war einst im Sommer nach Klurrenbühl auf den dortigen Hof gekommen, als eben Sträuble gebacken wurden; er bat auch darum, wurde schnöde abgewiesen und ging; da sah er ein Kind neben einem Weiher sitzen, schnell tunkt er es in's Wasser und trägt es als vom Tode gerettet in das Haus. Nun wurde er reichlich beschenkt und ging nie mehr leer aus, so oft er kam.
An längst genossenem Wein und Leckerbissen erlabte sich noch das
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