Schwarzwaelder Dorfgeschichten
vom Hellberg innig und aufrichtig; aber es giebt Stimmungen, in denen auch der Starke und Muthige sehnlichst wünscht, daß ihm die Last des unaufhörlichen Kampfes abgenommen wäre, daß das Schicksal ihm das Heißerstrebte durchkreuzt haben möchte, nur um ihm Ruhe zu gönnen.
In Siebenhöfen wurde Alban herzlich bewillkommt. Man glückwünschte ihm zur baldigen Uebernahme des Hofes und empfahl ihm reiche Bauerntöchter aus der Nähe zur Auswahl. Alban widersprach in Nichts; er wollte den Leuten nicht sagen, wie es noch ungewiß sei, ob er in den Erbgang trete; dieß schien hier ausgemacht und fraglos. Alban wollte fast selber daran glauben, denn eine Zuversicht von außen, so wenig begründet sie dem Hörer auch erscheint, hat doch immer etwas so Einschmeichelndes und Anmuthendes, daß sie sich unvermuthet in der Seele festsetzt und alle Zweifel der eigenen besseren Erkenntniß überdeckt. Alban genoß harmlos die Ehre des Hoferben. Wer weiß, ob es nicht zum Letztenmal ist, daß er sich ihrer erfreuen darf.
Die Mutter hatte Recht: hier im Gäu ging Alles viel bedachtsamer und stetiger her, der Menschen Thun und Reden war gelassener und nicht so laut wie daheim.
Hätte die Eichbäuerin heute gesehen, wie sorgsam und innig Alban um sein Bruderskind bedacht war, sie hätte ihn nicht mehr der Hartherzigkeit geziehen. Als Alban mit der kaum eilfjährigen Amrei (Anna Marie) davon fuhr, war er voll Entzücken; jedes Wort, das das Kind sprach, erquickte ihm das Herz und ein lang nicht gekanntes Lächeln ruhte beständig auf seinem Antlitz. Wie die Kinder es immer fühlen, wo ein treues und aufrichtiges Herz sich ihnen zuneigt, so war das Mädchen bald äußerst zutraulich und anschmiegend gegen Alban und als es ihn fragte: »Ohm, hast du daheim auch ein Kind?« wußte er nichts Anderes zu erwidern, als das Kind fest in die Arme zu schließen und es innig zu küssen. Der ganze Jubel, daß er einst auch ein eigen Kind haben solle, stieg in ihm auf und er wünschte sich jetzt nur, diesem Mädchen, das ihn wie eine glückselige Zukunft anschaute, recht viel Liebe erweisen zu können. Plötzlich erwachte Wehmuth in seiner Seele: dieses Kind hatte seines Vaters Liebe nicht gekannt, er war dahin gerafft bevor es seinen Namen nennen konnte und er selber – ihm lebte der Vater und bedrückte ihm das Herz mit Härte und unbeugsamer Herrschsucht. Das aber ist die Beseligung, die die Kindesnatur auf ihre Umgebung ausströmt, daß sie ist gleich der stetigen unwandelbaren Natur um uns her, die sich nicht hereinziehen läßt in die Wirrnisse des Denkens und Lebens und die doch im Kinde Sprache gefunden hat. Amrei wußte so lieblich zu plaudern und freute sich so sehr über jedes Begegniß, daß Alban keinen schweren Gedanken nachhängen konnte; er ward kinderfroh mit dem Kinde. Noch nie war eine Fahrt so rasch und fröhlich gewesen als die von Siebenhöfen nach der Stadt. Mit dem Kind an der Hand ging Alban durch die Stadt und er hüpfte selbst mit dem Kind als das Posthorn klang. Der Oheim Dekan war richtig angekommen. Es war ein stattlicher umfangreicher Mann. Alban hatte ihn seit lange nicht gesehen; dennoch ward er sogleich von ihm erkannt. Der Dekan reichte ihm etwas salbungsvoll die Hand, die andere legte er als er gehört hatte, wer das sei, auf das Haupt des Kindes. Alban trug das Gepäcke des Oheims nach dem Wirthshause, aber das Kind wollte sich von dem Geistlichen nicht führen lassen, es hing sich an den Rockzipfel Albans.
Der Dekan war ein Mann, der nichts übereilte, Alban hielt schon die Zügel der angespannten Pferde in der Hand, als der Dekan noch gemächlich seinen Schoppen trank und dazu die mit ihm angekommene Landeszeitung las.
Beim Aufsteigen gab es zwei saure Gesichter, ein altes und ein junges. Das Kind weinte, weil es allein bei dem Pfarrer sitzen sollte, es wollte zu Alban und dieser mußte sich nun mit auf den gemeinschaftlichen Sitz einzwängen; er setzte sich indeß so auf die Kante, daß der Oheim Platz genug hatte. Das Kind saß zwischen ihnen. Im Fahren verschwindet bald jede anfängliche Ungemächlichkeit, man richtet sich allmälig ein und merkt zuletzt, daß Jedes noch genugsam Raum inne hat. Der Dekan, der stets die Hände gefaltet auf der Brust hielt, war ein wohlwollender und behaglicher Mann. Er sprach mit seinem Neffen von dessen vormaligem Leben in der Ackerbauschule, er war selber ein eifriger Landwirth und machte Versuche mit Tabaksbau und Seidenzucht; dann ließ er sich von Alban von
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