Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Ferne nicht mehr fremd, da hat man gleich den liebsten Anverwandten an der Hand. Es war aber eine seltsame und doch natürliche Umbiegung des Gedankens als Dominik jetzt frug:
»Und dir thät's gar nichts ausmachen, wenn deine Geschwister in die weite Welt gingen und du weit und breit Niemand mehr hättest?«
»Was geht denn das dich an?« sagte Vinzenz zornig. »Ich bin zu gutmüthig, daß ich so viel mit dir red'. Ich will den Frieden und ich hab' gemeint du auch. Du vermagst viel beim Alban, mehr als wir Alle, und es wär' dein Glück auch. Ich red' aber nichts mehr. Ich brauch' dich nicht und brauch' keinen Menschen.«
Während Dominik grub, entdeckte er in seiner Seele einen verborgenen ungekannten Schatz: der Hirzenbauer hat Recht, mit der Gutheit allein führt man nichts aus. – Jetzt hatte Dominik ein Mittel, das seinem Verlangen Nachdruck verschaffte, er mußte seinen Einfluß auf Alban verwerthen, er mußte Vermittler, gewiß vor Allem zum Frommen Albans, aber auch zu seinem eigenen sein.
Aus Trübsal heraus und noch mitten in ihr empfand Dominik eine nie gekannte Glückseligkeit; denn nicht nur die begeisterte mit Hingebung erfüllte That erhebt das Herz mit innerster Erquickung: auch das Bewußtsein: die Lebensbegegnisse mit kluger Umsicht zu handhaben und auszubeuten, vermag ein Gleiches. Dominik war in dieser Stunde zum festen Manne gereift, er sah, daß er die Augen besser aufmachen müsse, daß er nicht mehr demüthig und mit Kleinem zufrieden nach innen gekehrt, sondern klug und beherzt sich und seinen Vortheil geltend machen müsse.
Während man die Rüben in die Grube schüttete, kam der Bauer auch herbei. Er stand verduzt.
»Was thust du noch da?« fragte er Dominik und Vinzenz erwiderte:
»Ich hab's ihn geheißen und lasset es dabei, Vater. Lasset nur uns Zwei machen, und Ihr werdet sehen, es geht Alles gut aus. Der Dominik hat was und damit kann er den Alban um einen Finger wickeln.«
»Was denn?«
Halb aus Verschlagenheit, halb auch, weil er doch noch nicht recht wußte, was er sagen sollte, that Dominik sehr geheimnißvoll, aber nichts desto minder zuversichtlich.
Der Bauer sah ihn starr an und ging ohne ein Wort zu reden nach dem Hofe zurück.
Dominik und Vinzenz vollendeten die Miete, der letztere wollte die Sache nur rasch abthun, aber Dominik ließ sich von seiner Sorgfalt nicht abbringen, er bedeckte zuerst Boden und Wände der Grube mit Stroh und schüttete dann die Rüben hinab. Nachdem er sie mit einer Lage Stroh zugedeckt, wollte er für jetzt aufhören, aber seine Einwendung half nichts, daß man noch eine Weile bis es gefriere, die Frucht verdunsten lassen müsse. Vinzenz befahl ihm streng, sogleich Erde darauf zu schütten und er mußte willfahren, er ließ aber trotz Scheltens über sein Besserwissen nicht ab, Strohwische in die Höhlen zu stecken, damit die Frucht nicht ersticke.
Mitten in Unruhe und innerer Hast that Dominik jede Arbeit, die er zur Hand nahm, vollkommen. Wer über solch ein Thun nachdenken mag, wird wissen was das zu bedeuten hat.
Flüchtig und eingeholt und abermals davon.
Als Ameile mit dem Kind an der Hand in die Stube trat, wie erstaunte sie, den Dominik hier zu sehen; er stand neben Vinzenz, grade dort an der Kammerthür, wo sie im Ringen um ihn niedergefallen war. Sie wußte sich jetzt nicht anders zu helfen, als sie nahm das Kind auf und umhalste und küßte es mit Inbrunst.
»Wo ist der Alban?« hieß es allgemein. Man suchte, man rief im ganzen Hause, nirgends eine Antwort, nirgends eine Spur. Man setzte sich zu Tisch, der Platz Albans blieb leer.
Der Bauer aß fast gar nicht, er schärfte sich immer die Lippen mit den Zähnen. Hätte nicht wieder das Kind bei Tische gesprochen; man hätte keinen Laut gehört.
Als abgegessen und gebetet war, sagte der Bauer zu Dominik:
»Ich muß dir's noch einmal sagen, deines Bleibens ist nicht da. Ich brauch dich nicht.«
»Aber der Vinzenz hat gesagt, ich soll bleiben und ich geh nicht, bis ich mit dem Alban gesprochen hab',« erwiderte Dominik. Der Bauer athmete rasch auf und warf dabei den Kopf zurück, aber er hielt an sich und in diesem Augenblicke erschrack Alles im Hause: eine Kutsche fuhr in den Hof. Kommen schon die Gerichtsleute und wer hat sie geholt?
Spitzgäbele stieg aus und nach ihm zwei fremde Männer. Das waren keine vom Gericht. Der Furchenbauer ging ihnen entgegen ...
Die Welt geht ihren Gang fort in Handel und Wandel, mag Wirrniß da und dort herrschen. Spitzgäbele
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