Schwarzwaelder Dorfgeschichten
aber es däuchte Allen eher ein Leichenmahl denn ein Freudenfest.
Alban war nicht zu Tisch gekommen, er hatte sich gleich nach der Stallkammer begeben, die Mutter hatte nach ihm geschickt, ja sie war selbst bei ihm gewesen, aber er gab Niemand eine Antwort, sondern saß, das Antlitz mit den Händen bedeckt, auf dem Bett.
»Kommt der Bub nicht?« fragte der Vater. Die Mutter wollte Ameile nach ihm schicken, aber der Vater wehrte ab:
»Nichts da, keine guten Worte, ich ruf' ihn und ich will sehen, ob er mir folgt oder nicht.« Er öffnete das Fenster und rief in den Hof hinab:
»Alban, komm gleich 'rauf, Ich ruf' dich!«
Kaum eine Minute verging und Alban trat in die Stube. Das Licht mochte ihn blenden, denn er rieb sich die Augen, alle Röthe war von seinen Wangen gewichen, sein Antlitz war leichenfahl.
Der Dekan und der Gipsmüller allein dankten seinem Gruß, Niemand wagte es ein Wort an ihn zu richten. Nur die kleine Amrei rief:
»Alban, setz' dich hurtig her, die Ahne hat einen ganzen Haufen Schnitz gekocht. Hast du Schnitz auch gern?«
»Und Schnitzgeigerle's,« höhnte der Furchenbauer. Niemand hörte darauf, Alles beschäftigte sich nur mit Amrei und brachte sie immer mehr zum Reden. Ein Jedes fühlte die Erfrischung, daß ein harmloses Gemüth unter ihnen war, das von allem Wirrwarr nichts wußte und wollte. Das Kind fand sich selbstgefällig in die Rolle, daß Alles sich ihm zuwendete und plauderte allerlei kunterbunt durcheinander, Kluges und Albernes, aber Alles wurde belacht. Selbst der Großvater konnte nicht umhin, seine Miene zu einem Lächeln zu verziehen; man sah es ihm aber an, nur die Oberfläche erheiterte sich, in der Tiefe grollte und kochte ein gewaltiger Zorn. Desto glückseliger waren aber die Mutter und Ameile mit dem Kinde. Ein Enkelkind am Tisch der Großeltern schmückt und erheitert denselben mehr als die schönsten Blumen. Das Kind darf reden was und wann es will und Alles wird mit Freude begrüßt und ein Jedes hat zu erzählen, was das Kind heute gesagt und gethan und wie Alles so lieb und gescheit sei. Vor Allem strahlen die Großeltern in Freudenglanz und was einst in dem Kinde aus dämmeriger Jugenderinnerung ersteht, wenn die Großeltern längst nicht mehr sind, erblüht jetzt in diesen als heiteres Ausschauen in eine zukünftige und eine vergangene Welt.
Das Abendessen ging durch das Kind ziemlich heiter vorüber. Nur einmal als Amrei fragte:
»Alban, was machst für ein Gesicht? Bist bös mit mir?« sagte der Vater:
»Der? Der ist viel zu sanftmüthig, der beleidigt kein Kind.«
Man stand auf, Amrei betete vor, die Stimmen der Männer bildeten den dunklen Grundton zu der hellen Stimme des Kindes.
Alban wollte die Stube verlassen, da rief ihm der Vater:
»Da bleibst.«
Alban setzte sich auf die Ofenbank, es gesellte sich Niemand zu ihm, er saß da wie ein armer Sünder. Da sprang Amrei vom Schooße der Großmutter und schmiegte sich an die Knie Albans. Der Vater befahl Ameile, das Kind in's Bett zu bringen, es folgte nur mit Weinen und Alban war's, als jetzt das Kind von ihm genommen wurde, als wär' er nun alles Schutzes beraubt. In der That ging nun auch der Sturm gegen ihn von allen Seiten los. Der Vater erzählte den ganzen Vorgang ziemlich sachgetreu, nur übertrieb er etwas seine heutige wohlwollende Stimmung gegen Alban, und diesem däuchte es nun, daß sie nie Ernst gewesen. Das Schelten und Fluchen des Vaters, das Weinen der Mutter, das Mahnen des Dekans, Alles drang nun auf Alban ein und Alles vergebens, er blieb bei seinem ausgesprochenen Vorhaben.
Ein Feuer, das der Blitz entzündete, kann menschliche Gewalt nicht löschen, so lehrt der allgemeine Volksglaube. Der Gedanke der Gerechtigkeit, der in jener bewegten Zeit wie ein feuriger Funke in die Seele Albans gefallen, war in ihm unauslöschlich. Mitten unter allen Einreden und Ruhestörungen erhob sich sein Herz, nicht in Gier nach Besitz, sondern in einer märtyrergleichen Hingebung an das Unabänderliche. Sein Herz blutete aus tausend Wunden, die ihm Liebe und Haß schlug, und er zagte und zweifelte jetzt keinen Augenblick mehr, er war bereit zu sterben, aber mit dem Bekenntniß der Wahrheit auf den Lippen.
Immer wieder auf's Neue toste es an ihn heran, aber er stand fest, unbeweglich wie ein Fels. Zuletzt kam der Vater zitternd auf ihn zu und schwur, ihm Alles zu verzeihen, wenn er umkehre; er schilderte noch einmal wie es ihm das Herz zerfleische, daß sich das Kind nicht beweisen lasse, wie
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