Schwarzwaelder Dorfgeschichten
weinen konnten.
Man hatte einen reitenden Boten nach dem Arzte geschickt, er kam zugleich mit dem Oberamtmann und dessen Frau und bald darauf fuhr auch der Hirzenbauer in den Hof.
Der Nagelschmied mit seiner Vreni kam auch und durch Alle hindurch drang Vreni und Niemand wagte es, sie abzuhalten, daß sie zu dem Kranken eilte.
Wie war jetzt der Hof so voll von fremden Menschen, und von den eigenen war der eine Sohn todt und der Arzt erklärte jeden Belebungsversuch vergebens und der andere hatte vielleicht eine Todeswunde und raste mit seiner letzten Kraft!
Der Oberamtmann ging nach dem Felsen, um den Thatbestand in Augenschein zu nehmen, er fand die unverzeihliche Fahrlässigkeit: den Mangel eines Geländers. Die Oberamtmännin blieb bei den Frauen und erwies sich in Allem ordnend und hülfereich.
Im Leibgedingstüble lag die Leiche des Vinzenz, der Vater saß dabei und noch immer hörte man keinen Laut von ihm; das Wort, das zuerst über diese starren zusammengepreßten Lippen ging, mußte Zerschmetterndes bekunden. Als der Hirzenbauer zu dem Trauernden eintrat, wies er ihn mit der Hand hinaus und verhüllte sein Angesicht mit beiden Händen. Der Hirzenbauer ging, aber bald nach ihm trat der Gipsmüller ein; auch ihm wurde gewinkt wegzugehen, aber er folgte nicht; er setzte sich ohne ein Wort zu reden, neben seinen Schwager und so saßen die beiden Männer stumm neben einander, vor ihnen die Leiche.
Im Hofe war es lautlos still, nur bisweilen hörte man den raschen Hufschlag eines Pferdes; kein Taktschlag aus den Scheunen ertönte, selbst die fremden Drescher, die nicht im Taglohn standen, feierten, ihre Hände zitterten noch, sie hatten die Leiche getragen und auf dem Heu saßen sie bei einander und sprachen leise davon, wie elend doch auch der große Reichthum machen könne.
Alban war in Ruhe gesunken, der Arzt verordnete, daß man ihm Schnee auf's Haupt lege. Ein Drescher und der Kühbub wurden mit Kübeln nach dem zwei Stunden entfernten hohen Berge geschickt, wo es bereits geschneit haben sollte. Ein Knecht wurde mit einem der Fuchsen nach der Stadt in die Apotheke geschickt.
Um Mittag begannen die Drescher plötzlich zu dreschen und Alban erwachte laut schreiend: »Wo ist dein Bruder?« Er klagte, daß ihm jeder Schlag das Hirn träfe. Dominik eilte, den Dreschern Einhalt zu thun. So viele Hände waren zu beschäftigen und man dachte nicht daran, sie müßig zu lassen. Dominik befahl ihnen, die Aepfel auf die Wagen zu laden, der Furchenbauer hatte ihm gesagt, daß er sie heute abliefern wolle und der Nagelschmied fand sich bereit, die Ablieferung zu übernehmen. Man konnte dem großen Leide im Hause in Nichts beistehen, es blieb nichts übrig, als die Arbeit zu vollführen, die der Tag verlangte, Dominik wußte selber oft nicht was er thun sollte und stand oft mitten in einem raschen Gang müssig und selbstvergessen da, bis er dessen inne wurde und hin und her rannte und immer wieder vergaß, was er gewollt hatte. Ameile kam jetzt zu ihm, das Kind hing sich an ihren Rock und ließ nicht ab von ihr, sie sagte, man müsse das Aepfelaufschütten aufgeben, Alban klage: das Poltern der Aepfel sei ihm, als schütte man die Schollen auf sein Grab. Jetzt endlich wurden die Arbeiter zum Müssiggang beordert.
Der Oberamtmann stand beim Hirzenbauer am Brunnen und sie wogen miteinander hin und her abermals die Vortheile und Nachtheile der geschlossenen Güter. Der Hirzenbauer sagte: »O Herr Oberamtmann! Ich habe auf der Versammlung und öffentlich nicht Alles sagen können und ich mag's noch nicht sagen, was für Schandbarkeiten mit dem geschlossenen Erbgang verbunden sind. Der Furchenbauer da hat das traurige Glück gehabt, daß ihm fünf Kinder als klein gestorben sind. Ich weiß wohl, daß mit dem Zertheilen neues Unglück haufengenug kommt, aber kann man's anders machen und darf man?« Der Oberamtmann war heute besonders freundlich mit dem Hirzenbauer, denn er erkannte den wenn auch starren doch reinen Gerechtigkeitssinn des Mannes.
Als der Hirzenbauer und der Oberamtmann mit seiner Frau wegfuhren, kam gerade der Kühbub mit einem Kübel voll Schnee, er war vorausgeeilt, der Drescher blieb klugerweise noch einige Stunden auf dem Berge, um dann mit frischem Schnee zu kommen. Bald traf auch der reitende Bote aus der Apotheke ein. Alban duldete Niemand um sich als Vreni und Dominik, selbst die Mutter und Ameile durften sich ihm nicht nahen.
Einen Tag und eine Nacht saß der Furchenbauer bei der Leiche seines
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