Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Sohnes und aß nicht und trank nicht und sprach kein Wort.
Als man am Morgen darauf die Leiche des Vinzenz zu Grabe führte, schwankte er am Stabe, den Alban ihm geschnitten, hinter der Leiche drein. Erst auf dem Kirchhof, wo er die eingesunkenen Kreuze an den Gräbern der Kinder sah, die Vinzenz vorausgegangen waren, brach er zum Erstenmal in lautes und heftiges Weinen aus.
Auf der Heimfahrt – der Gipsmüller that es nicht anders, er mußte sich auf den Wagen setzen – sprach der Furchenbauer das erste Wort zu seinem Schwager und die zitternde Hand erhebend sagte er:
»Gott hat mich hart gestraft, aber er hat mir doch Recht gegeben, mein Gut bleibt doch bei einander.«
Gleich nach dem Leichenbegängniß führte der Nagelschmied Amrei nach Siebenhöfen. Seit der Zerrüttung des Hauses weinte das Kind unaufhörlich nach seiner Mutter und verging fast vor Heimweh.
Alban hatte nichts davon gemerkt, als man die Leiche seines Bruders fortbrachte, jetzt, da man das Kind fortführte, merkte er es auf seinem Krankenlager und sagte vor sich hin:
»B'hüt dich Gott Amrei.«
Der Vater, der sich bisher gar nicht um Alban gekümmert, war jetzt sorglich bedacht um ihn; er hörte still nickend, daß Alban ruhig sei aber keinen Schlaf finde, daß er Alles bis auf's Kleinste erzählt habe, wie es ihm ergangen und wie er dem Bruder im Guten nachgeeilt sei; er nickte still zu diesen Berichten. Selber durfte er sich Alban noch am wenigsten nahen, denn dieser schrie wie rasend auf, als er zu ihm trat, und sogar wenn er ungesehen in der Stube war, merkte es der Kranke und war voll fieberischer Hast, die er augenscheinlich zu bezwingen suchte.
Der Zustand Albans war veränderlich, der Arzt wollte trotz allen Drängens keinen ganz tröstlichen Bescheid geben.
Eines Tages mußte Alles die Stube verlassen, nur Dominik und Vreni durften zurückbleiben. Die Beiden mußten Alban im Bett aufrichten und er sprach:
»Dominik, es wird Alles dein. Meinem Peiniger vertrau' ich's nicht. Gieb mir dein Hand drauf, daß du dem Nagelschmied und meiner Vreni mein Erbtheil giebst. Mein' Vreni ist vor Gott mein.«
Dominik reichte die Hand und sagte:
»Du bist nicht so krank, aber du kannst's gerichtlich machen, wenn du willst, wenn's dich beruhigt.«
»Ich will nichts mehr vom Gericht ... Familiensache ... Ich glaub' dir ... und wenn du Kinder bekommst, sei gerecht, Gerechtigkeit ... Wo ist dein Bruder? ... Gerechtigkeit ...«
Das waren die letzten hellen Worte, die Alban sprach, er raste noch mehrere Tage besinnunglos und befand sich oft in der großen Volksversammlung und schrie: »Ruhe! Stille! Bravo!«
Mit den Worten: »Wo ist dein Bruder?« hauchte er seinen letzten Athem aus. Seine Wangen waren roth.
Als man dem Furchenbauer den Tod seines Sohnes berichtete, stampfte er zornig auf und seine Faust ballte sich.
»Das ist sein letzter –« schrie er, er verschwieg die anderen Worte. Er mochte es als eine Unthat seines Sohnes betrachten, daß er ihm durch den Tod seine letzte Hoffnung zerstörte, sein Gut kam in fremde Hand.
Bald nach Alban begrub man auch die Mutter, sie hatte Niemand ihr Leid geklagt und eines Morgens fand man sie todt im Bette.
Der Furchenbauer, der nun Dominik als einzigen Erben vor sich sah, redete ihm viel zu, daß er ihm verspreche, wenn er Kinder bekomme, das Gut nie zu theilen. Dominik weigerte dies und sagte zuletzt, er habe dem sterbenden Alban das Gelöbniß gegeben, gerecht gegen jedes seiner Kinder zu sein.
Der Furchenbauer ging starr und stumm im Hofe umher, er redete mit Niemand und ging durch Stall und Scheunen wie ein Gespenst. Im Wald ließ er sich eine alte Tanne hauen, sie zu Brettern versägen und brachte sie selbst auf den Hof.
Im Frühling, am selben Tag als der Nagelschmied mit seiner Familie auswanderte, fand man den Furchenbauer plötzlich todt. Dunkle Gerüchte gingen über seine Todesart. Man hat nie etwas Bestimmtes darüber erfahren.
Der neue Lehnhold.
Aus der zerrissenen Erde sprießt die Saat, aus den Gräbern wachsen Blumen. Trübe Schwermuth lagerte auf dem Gemüth des Dominik wie Ameile's. Die Oberamtmännin war eine milde Trösterin, denn sie kam jetzt im Frühling auf mehrere Wochen auf den Hof. Sie fand eine Erquickung darin, in die Tiefe der Gemüther zu schauen, die ihre Empfindungen nicht in Worten ausdrücken können, sie aber hatte die Macht des Wortes und wie linder Balsam heilten sie die Wunden. Was ihr im Großen und Umfassenden nicht gelingen wollte, gelang
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